Wenn die SG Sonnenhof Großaspach zum Auswärtsspiel fährt, folgt ihr die kleinste Fanszene des deutschen Profifußballs – und die lustigste.
Ganz anders hingegen ist das in Großaspach, denn dort amüsieren sich die Fans gerne selbst über ihre chronische Unterzahl. Bei Arminia Bielefeld rollten die etwa sieben Auswärtsfahrer im November 2014 ein Banner aus, auf dem stand: „Die anderen 10.000 müssen schaffen.“ In Dresden, März 2015, fragten sie die Dynamo-Ultras höflich via Transparent: „Könnt ihr bitte zwei Minuten ruhig sein, damit man uns auch mal hören kann?“ Und bei einem Heimspiel gegen den SV Sandhausen, dessen Anhängerschaft auch eher klein ist, war auf einer Folie zu lesen: „Ey Sandhausen, wenig Fans war doch unsere Idee!“
Viral ging im Internet eine Choreo von einem Spiel in Osnabrück vor drei Monaten. Die SGS-Fans, diesmal sogar 62 an der Zahl, hatten Strichmännchen auf Tücher gemalt und diese im Block aufgespannt. Daneben prangte ein weiteres Banner: „Ausverkauft“. Der SWR und sogar die „Bild“ berichteten über sie. „Warum sollten wir Dinge beschönigen?“, fragt Kay, der einen Pullover mit der Aufschrift „Dorfklub“ trägt. „Es ist, wie es ist.“
Ein kompliziertes Image
Um kurz vor sieben machen die Meppen-Auswärtsfahrer einen ersten Halt, Kaffee und Zigaretten auf einem Rastplatz irgendwo hinter Bad Rappenau. An den Mülltonnen erkennt man Spuren von anderen Touren, Sticker der „Generation Luzifer 1998“, Tags von „Inferno Heilbronn 2002“. Die meisten Menschen in dieser Gegend halten zum VfB Stuttgart. Ein paar mögen auch die Bayern oder Karlsruhe. Aber die SGS? Dem Klub aus dem 8000-Einwohner-Städtchen Aspach haftet, gelinde gesagt, ein kompliziertes Image an. Namensgeber ist das Eventhotel „Sonnenhof“ von Uli Ferber, der sich als Sportmanager einen Namen gemacht hat.
Bis heute betreut seine Agentur Mario Gomez und Joshua Kimmich. Er ist so etwas wie der König der Region, verheiratet mit einer Königin des deutschen Schlagers: Andrea Berg. Ein Mann mit dickem Portemonnaie und dickem Telefonbuch also. Der Verdacht liegt nahe, die SGS sei ein schwäbisches RB Leipzig, schaffe, schaffe, Plastikhäusle baue. Aber so ist die Sache nicht, denn die Sportgemeinschaft hat Wurzeln und Linien, die bis ins frühe 20. Jahrhundert zurückreichen. Die bekannteste führt zu Ferbers Thekenteam Sonnenhof Kleinaspach, das ab 1987 am regulären Spielbetrieb teilnahm. Der Rest ist eine Geschichte von vielen Aufstiegen.
Erholung vom turbokapitalistischen Bundesligafußball
„Ferber ist nicht Mateschitz!“ Auch Kay und seine Freunde lassen auf den Sponsor, der ungern Mäzen genannt wird, nichts kommen. Die SGS, so sehen sie das, ist wie ein Ort der Erholung vom turbokapitalistischen Bundesligafußball. Einige haben früher andere Klubs unterstützt, den BVB, Bayern oder den VfB. „Aber bei Großaspach ist es schön klein“, sagen sie. In ihren Erzählungen klingt es, als hätte sich Ferbers Hobbymannschaft nie aufgelöst und würde nun, eher zufällig, im Profifußball mitmischen. Motto: Das Leben ist ein Sonnenhof.
Wenn sie in der Ferne die Bahn verpassen, in Koblenz oder Chemnitz, dürfen sie im Mannschaftsbus mit in die Heimat fahren. Am Wochenende feiern sie mit den Spielern in der hoteleigenen Diskothek. Andrea Berg, DJ Ötzi, Mia Julia. Dieser Tag wird zur Legende, diese Nacht geht nie zu Ende. Und bei der Hochzeit des ehemaligen Torhüters Christopher Knett war Capo Daniel Trauzeuge. Er kramt Sticker aus der Tasche. Auf einem steht: „Aspachfans gegen Red Bull“.