Wenn die SG Sonnenhof Großaspach zum Auswärtsspiel fährt, folgt ihr die kleinste Fanszene des deutschen Profifußballs – und die lustigste.
Dieser Text erschien zuerst in 11FREUNDE #210. Hier könnt ihr das Heft in unserem Shop kaufen.
Bevor es losgeht, an einem Samstagmorgen Ende März um 4.55 Uhr, steht natürlich der legendäre Satz von Toni Schumacher im Raum. „Ich fahr doch nicht nach Meppen“, sagte der Torhüter im Sommer 1988, nachdem sein Verein Schalke 04 in die zweite Bundesliga abgestiegen war. Aber es hilft ja nichts. Wenn die SG Sonnenhof Großaspach nach Meppen fährt, muss der eingefleischte Anhänger mit. Start in Backnang, südlich von Aspach, unweit eines Dorfes namens Einöd. Aus der tiefen schwäbischen Provinz ins flache niedersächsische Emsland. Dritte Liga, Zwölfter gegen Siebzehnter. Harter Tobak oder ein fußballromantischer Roadtrip, das ist Ansichtssache.
Wie eine Saalwette bei „Wetten, dass…?“
Dabei sind: Daniel, der Capo, ein großgewachsener Kerl mit Sonnenhof-Tätowierung auf dem Bizeps; Kay, „wichtig, mit y“, ein sanfter Typ, der die Dinge regelt, ebenfalls SGS-Tattoo; ein zweiter Daniel, Spitzname „Liebi“, der wo so herzerwärmend schwäbelt; Kevin, bisschen verschlafen noch, Typ bester Kumpel in Vorabendserien; Nemanja, genannt „Nemo“, der Sätze oft mit „Bruder“ beginnt und sich gerne Youtube-Clips von serbischen Ultras anschaut.
Fünf junge Männern brechen um fünf Uhr ins 550 Kilometer entfernte Meppen auf. Klingt wie die Saalwette einer Wetten-dass-Folge. Also warum machen die das? Und wie fühlt es sich an, Teil der kleinsten Fanszene im deutschen Profifußball zu sein?
Der geringste Zuschauerschnitt der ersten drei Ligen
Seit einigen Jahren schon hat Sonnenhof Großaspach den geringsten Zuschauerzuspruch der ersten drei Ligen, zumindest wenn man die zweiten Teams der Bundesligisten ausnimmt. 2017/18 kamen 1957 Besucher zu den Heimspielen, in der aktuellen Saison sind es immerhin 2589. Auswärts sieht die Sache auch überschaubar aus. Im Schnitt, so hat das Portal liga3-online.de ausgerechnet, reisen 60 Fans mit. Manchmal sind sie nur zu zweit oder zu dritt, so genau können sie das nicht sagen. „Zählt der Fanbeauftragte?“ Nach einem Spiel in Erfurt machten drei Hartgesottene „La Ola“, 20 Spieler standen vor dem Block und bedankten sich. Es muss ausgesehen haben wie Wassergymnastik im Trockenen.
Nun haben es Ultras für gewöhnlich nicht so mit Selbstironie. Ihre Darbietungen sind oft bierernste Angelegenheiten. Es ist ein ewiger Materialkampf und Überbietungswettbewerb, in dem es um die dickste Choreo und die lautesten Gesänge geht. Festgehalten auf Videos in der Anmutung eines „Gladiator“-Remakes. Und selbst Gruppen in Krabbelgruppenstärke heften sich den Appendix ‑Horde oder ‑Kommando an den Namen.