Wie viel wird im Amateurfußball gezahlt? Eine ARD-Recherche enthüllt: Pro Saison fließen bis zu einer Milliarde Euro – und die Finanzämter greifen nicht ein.
Es sind Fälle, wie der Amateurfußball sie kennt: Ein lokaler Unternehmer will den Kreisligisten mit jeder Menge Geld in die Bezirksliga hieven, dafür kommen teure Spieler, die „auch schon einmal höher gespielt haben“. Gerüchte darüber, wie viel Geld diese Spieler bekommen, gibt es viele. Manchmal soll’s ein Auto geben, manchmal eine Wohnung, manchmal bleibt Bargeld im Umschlag liegen. Für viele Menschen in Deutschland ist das nichts Neues. Es ist offenbar normal im Amateurfußball.
Heute Abend um 23:30 Uhr zeigt die ARD die Dokumentation „Milliardenspiel Amateurfußball: Wenn das Geld im Umschlag kommt“. Die Recherche verdeutlicht erstmals das Ausmaß der Bezahlkultur im deutschen Amateurfußball und nennt konkrete Zahlen. Hochrechnungen zufolge fließen pro Monat mehr als 100 Millionen Euro in die Taschen von Amateurfußballern, in jeder Saison damit mehr als eine Milliarde. Etwa die Hälfte davon ist offenbar Schwarzgeld. Mutmaßlich 500 Millionen Euro, die am Finanzamt vorbei gezahlt werden – und das im beliebtesten Sport in Deutschland.
Der Sportjurist Thomas Summerer prophezeit, dass die Recherche „ein kleines Erdbeben“ auslösen werde. Schwarzzahlungen seien „ein Straftatbestand, nämlich Untreue“. Wenn Schwarzzahlungen nachgewiesen würden, drohe Vereinen der Entzug der Gemeinnützigkeit, während Spieler Freiheits- oder Geldstrafen riskierten.
Die Daten zeigen: Mehr als 60 Prozent aller Teilnehmer haben schon einmal oder mehrmals Geld fürs Fußballspielen bekommen. Im Oktober 2020 waren es 37 Prozent. Geldzahlungen an Spieler, in welcher Form auch immer, sind im Amateurbereich selbstverständlich. In jenem Monat bekamen 9 von 10 Fünftligaspielern Geld.
In Liga 6 kassierten in jenem Zeitraum mehr als 75 Prozent, in Liga sieben mit 51 Prozent noch etwas mehr als die Hälfte. Sogar in der achten Liga, in vielen Landesverbänden also in der Kreisliga, bekommen noch 36 Prozent Geld. Die Daten aus dem Referenzmonat Oktober 2020 standen unter dem Einfluss der Pandemie. Ohne Corona könnten die Zahlen noch höher liegen. Jeder Fünfte der Befragten hat zusätzlich schon Dienstleistungen oder Sachwerte dafür erhalten, im Trikot eines Amateurvereins aufzulaufen.
Baugrundstücke, Autos, Wohnungen, Spielekonsolen, Fernseher, Handwerksleistungen oder gefakte Anstellungsverträge als Jugendtrainer – die Vereine sind bei der Auswahl ihrer Bezahlmethoden äußerst kreativ. Amateurverträge, die der Deutsche Fußball-Bund für die Entlohnung der Spieler jenseits von Aufwandsentschädigung und Aufwandserstattung vorsieht, werden extrem selten abgeschlossen. In Deutschland gab es in der Saison 2020/2021 nur etwa 8500 davon – bei mehr als 700.000 aktiven Spielern. Dieses Vertragsmodell, so Insider, sei einfach zu teuer.
Die erhobenen Daten stammen aus einer Umfrage mit mehr als 10.000 Teilnehmern, die das Team von Hajo Seppelt und EyeOpening.Media mit Unterstützung von Correctiv durchgeführt hat. 11FREUNDE hatte vor einem Jahr einen Text veröffentlicht, in dem zur Teilnahme aufgerufen wurde. Fast alle Leser, die diesem Aufruf folgten, sind männlich. Im Frauenfußball, so der Tenor der Teilnehmerinnen, spiele Bezahlung so gut wie keine Rolle. Die statistische Auswertung der Daten erfolgte mit wissenschaftlicher Begleitung der Technischen Universität Dortmund und der Ludwig-Maximilians-Universität München.