Zum 50. Geburtstag von Pep Guardiola: Über einen Welttrainer, der trotz höchster Weihen und bahnbrechender Erfolge ein Mysterium geblieben ist.
Es heißt, der Profifußball sei ein gläsernes Business, weil seine Protagonisten durch die gänzlich entfesselte Medienpräsenz nie unbeobachtet seien. Dass es Josep Guardiola Sala, genannt „Pep“, gelungen ist, in diesem Milieu zu einem Trainer von Weltruhm aufzusteigen und dennoch ein Mysterium zu bleiben, ist vielleicht das wichtigste Indiz für sein grenzenloses Repertoire an Fintenreichtum und taktischen Varianten.
Heute feiert Pep Guardiola seinen 50. Geburtstag. Auf dem Papier scheinen wir alles über ihn zu wissen: Er war der Musterschüler von Johan Cruyff. Der opferbereite Gehilfe, der jede Silbe des Lehrmeisters begierig aufsog und als Teil des „Dreamteams“ im Mai 1992 endlich den Landesmeistercup nach Katalonien holte. Cruyff war der Erfinder und Architekt des modernen Barça, dieser Fußballkathedrale mit ihren Insignien Tiki-Taka, Hingabe und bedingungsloser Offensive. Doch erst seinem Nachfolger Guardiola gelang es ab 2008 die Erfolgsformel so zu optimieren, dass sie beim FC Barcelona eine Titelflut auslöste. Peps Bilanz sind Zahlen für die Ewigkeit: In fünf Jahren gewann er 14 Trophäen, allein zwei Mal die Champions League und im Jahr 2009 das „Sextuples“, sprich: die drei möglichen nationalen und drei internationale Titel.
In der großen Barça-Ära festigte sich Peps Image vom vergeistige Genius. Dass das edle Pflaster Kataloniens keine Trainer-Rüpel oder Mentalitätsmonster duldet, dürfte seit den Zeiten von Udo Lattek und Hennes Weisweiler bekannt sein. Doch Guardiola erweiterte mit seiner Bücherwurm-Attitüde in Korrelation mit den exzessiven Erfolgen das Spektrum des Fußball-Ästheten um ein Vielfaches. Er las öffentlich die Gedichte seines verstorbenen Freundes Miquel Martí i Pol, pflegte eine enge Freundschaft mit dem Schriftsteller David Trueba und gab zu Protokoll, dass er bei den elegischen Songs von Coldplay abschalten könne. Seine nachdenklichen Auftritte bei Pressekonferenzen komplettierten das Image eines Trainers, der offenbar losgelöst von den herkömmlichen Gepflogenheiten des Geschäfts funktionierte. Anders als die meisten Vorgänger wurde er in Barcelona nicht gefeuert, sondern verkündete aus freien Stücken seinen Rücktritt, um anschließend ein Bildungs-Sabbatical in Übersee einzulegen. Aus Prinzip verhandelte er mit den Bossen stets nur Einjahresverträge und begründete diese Entscheidung mit den epochalen Worten, die sein Profil als melancholischer Denkertyp und Exponent der Nachhaltigkeitsgeneration nochmals untermauerten: „Trainer von Barça kann man nicht auf Lebenszeit sein. Ich denke, dass man für kurze Zeiträume unterschreiben sollte, in denen der Trainer sich Dinge verdienen muss, die Unterstützung der Spieler, der Fans.“
Auch die drei Spielzeiten beim FC Bayern konnten seinem Ruf als Fußballprofessor nicht einmal ansatzweise etwas anhaben. Selbst Profis mit Abitur gaben zu, dass sie von Guardiolas ständigem Jonglieren mit den Systemen und seiner manischen Art, selbst winzigsten Details staatstragende Bedeutung beizumessen, überfordert wurden. Als er 2016 nach Manchester weiterzog, überschlugen sich die FCB-Bosse mit ihren Lobeshymnen auf ihn. Der Tenor: Noch in vielen Jahren werde der Stil des FCB von den Winkelzügen seiner Regentschaft geprägt sein. Es hieß, nie habe der Rekordmeister so guten Fußball gespielt, wie unter „Pep“. Alle warmen Worte konnten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Guardiola den Münchnern den ersehnten internationalen Titel schuldig geblieben war. Beim gestopften Scheich-Klub im Norden Englands verfügt er seither über schier grenzenlose Finanzmittel, die er bei seiner Arbeit ausgiebig in Anspruch nimmt. Auf nationaler Ebene hat er die „Citizens“ damit noch einmal auf ein anderes spielerisches Niveau gehievt, doch auch hier fehlt ihm bislang die internationalen Trophäe.
Schon vor ein paar Jahren kokettierte Guardiola mit der Idee, sich nicht erst im Rentenalter vom Fußball zurückzuziehen. Nun, da er die 50 überschritten hat, ist von einem anderen Leben plötzlich keine Rede mehr. „Erfahrung hilft dir in diesem Job, besonders, wenn man seinen Beruf so angeht wie ich“, sagt er, „ich denke, dass ich vielleicht erst aufhöre, wenn ich älter bin. 50 ist schon ein schönes Alter.“ Womöglich ist auch ihm aufgegangen, dass er trotz seines wehrhaften Image-Panzers in letzter Konsequenz ein Fußballer ist und nur als solcher sein globale Wahrnehmung behält. Es sind nur beiläufige Schlaglichter, die das makellose Bild von Guardiola ein wenig stören und zeigen, dass der Nerd auch zur Nervensäge werden kann. So war es Guardiola, der dafür sorgte, dass Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt nach Jahrzehnten als Bayern-Mediziner hinschmiss, weil er die Forderungen des Coachs, den Heilungsprozess von Spielern immer stärker zu beschleunigen, nicht mehr verantworten wollte. Als Spieler war „Pep“ zudem in erster Instanz wegen eines Dopingvergehens zu einer Freiheitstrafe verurteilt worden. Und auch sein politisches Engagement für die katalonische Freiheitsbewegung und seine sektiererischen Überzeugungen, zeigen, dass hinter der glatten Fassade des sanften Dirigenten ein eigenwilliger Charakter lauert – voller Brüche und einiger Abgründe.
Über diese Seite des Josep Guardiola Sala mehr zu erfahren, wäre interessant. Schließlich hat er auch gesagt: „Alles, was ich in meinem Leben tue, tue ich, um geliebt zu werden.“ Warten wir ab, was er noch bereit ist, für die Liebe zu tun. Herzlichen Glückwunsch, Pep!