Wegen des „Sommermärchens“ erinnert man sich in Deutschland gerne an die Kicker aus Ecuador. Der Fußball der Andenrepublik wird seither aber von bizarren Skandalen erschüttert.
Wenn am 14. Juni 2018 die WM in Russland beginnt, dann wird Ecuador nicht dabei sein. Die Mannschaft scheiterte in der Qualifikation, obwohl sie noch Mitte November 2016, nach zwölf von achtzehn Spieltagen, durch einen Sieg über Venezuela auf den dritten Platz der Südamerikagruppe geklettert war.
Das ist insofern schade, weil wir in Deutschland ganz gute Erinnerungen an Ecuador haben. Beim „Sommermärchen“ 2006 erreichte das Team das Achtelfinale und unterlag dort England nur knapp. Es war Ecuadors größter Erfolg bei einer WM – umso erstaunlicher, da zur selben Zeit ein bizarrer Skandal um die Nationalmannschaft die Schlagzeilen beherrschte.
Dauergast in den USA
Der Eklat geschah im Frühjahr 2006. Ecuador plante zur Vorbereitung auf das Turnier in Deutschland eine Reise durch Nordamerika. Das war alles andere als ungewöhnlich. Schon ein paar Jahre zuvor hatte Ecuador nämlich seine ganz große Liebe zu Ausflügen in die USA entdeckt. Im September 2000 spielten die Männer aus den Anden in San Diego gegen Mexiko, dort muss es ihnen so ausnehmend gut gefallen haben, dass sie in der Folgezeit Dauergast im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wurden.
Im Juni und Juli 2001 trat die Mannschaft in Columbus, New York und Miami an, und schon im nächsten Januar folgten wieder zwei Partien in Florida. Im März 2002, also nur sechs Wochen später, lief Ecuador in Birmingham (Alabama) und New Jersey auf. In den folgenden vier Jahren kamen sechs weitere Länderspiele in den USA dazu, mal gegen die Amerikaner selbst, aber auch gegen Teams wie Peru oder Italien.
Den Amis kommt was spanisch vor
Im März 2006 bereitete Ecuador nun einen weiteren Nordamerika-Trip vor, und zu diesem Zweck sprach der Koordinator der Nationalelf, Vicinio Luna, beim Konsulat der USA in Quito vor, um die nötigen Visa-Papiere zu beantragen. Der damals 42 Jahre alte Luna, der Sohn eines Generals, war seit 1998 im Amt – dem Jahr, als Luis Chiriboga zum Präsidenten des Fußballverbandes von Ecuador gewählt wurde.
Für die Botschaftsangehörigen in Quito muss Luna fast schon so etwas wie ein guter, alter Bekannter gewesen sein. Trotzdem kam ihnen diesmal etwas komisch vor. Vielleicht war es einfach nur die Tatsache, dass dieser Typ die Nationalelf alle paar Monate in die USA schickte.
Die Beamten nahmen die Unterlagen etwas genauer in Augenschein und stellten fest, dass zwei Männer, die Luna als Spieler und Verbandsfunktionär anmelden wollte, in Wirklichkeit nicht im Entferntesten etwas mit Fußball zu tun hatten. Es handelte sich um zwei Maurer. Wie sich später herausstellte, hatten sie Luna etwa 10.000 Euro bezahlt, damit er sie illegal in die USA einschleuste.
Drei Tage später wurde Luna verhaftet. In den nächsten Wochen kamen mindestens fünf weitere Fälle auf den Tisch, bei denen er Auswanderungswilligen unter dem Deckmantel des Fußballs falsche Visa besorgt hatte. In diesem Zusammenhang wurde im April 2006 auch noch der Mannschaftsarzt Ecuadors, Patricio Maldonado, unter Arrest gestellt. Kurz vor Beginn der WM tauchte dann Luis Castro unter, der Pressesprecher der Nationalmannschaft, nachdem gegen ihn ein Haftbefehl ausgestellt worden war. Lunas direkter Vorgesetzter, Präsident Chiriboga, wurde allerdings nicht angeklagt.
Verblüffendes Comeback
Wie gesagt, unter diesen Umständen war es erstaunlich, dass Ecuador sich in Deutschland so ordentlich schlug. Erstaunlich war allerdings auch der weitere Verlauf des Skandals. Vinicio Luna wurde schuldig gesprochen und saß bis März 2007 im Gefängnis. Zur Verblüffung nicht nur der ausländischen Presse gab ihm Chiriboga direkt nach seiner Entlassung seinen alten Job zurück. Luna machte sich daran, die Reisen der Nationalelf im Rahmen der Copa América zu organisieren, als Ecuadors Staatspräsident Rafael Correa die Entscheidung des Verbandes heftig kritisierte. Zwei Wochen später legte Luna sein Amt nieder.
In einem Interview erklärte Luna, er habe Gott gefunden, dann nahm er einen Posten an der Katholischen Universität von Ecuador an. Dort arbeitete er drei Jahre, bis so viel Gras über die Sache gewachsen war, dass Chiriboga ihn 2011 zum dritten Mal zum Delegationschef der Nationalelf ernennen konnte! Diesen Job übte er bis zum Dezember 2015 aus. Dann klagte die Staatsanwaltschaft Chiriboga und Luna der Geldwäsche an und stellte beide unter Hausarrest.
Das Spiel ist aus
Im Mai 2016 wurde Luna zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Der Prozess gegen Chiriboga zog sich etwas länger hin, doch am Ende hatten die Ermittler Erfolg (vermutlich auch, weil Luna sich kooperativ zeigte). Am 18. November 2016 – drei Tage, nachdem Ecuador gegen Venezuela gewonnen hatte und auf den dritten Platz der Südamerikagruppe geklettert war – wurde Luis Chiriboga zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Ecuador verlor jedes einzelne der nächsten sechs Qualifikationsspiele.