Deutschland ist raus, hunderte Bratwurstpackungen und Schland-Ketten bleiben in den Regalen, auf der Fanmeile herrscht Tristesse. Zeit, sich endlich wieder der eigentlichen Liebe zuzuwenden: dem Klubfußball.
Es begann vor vier Wochen. Ein erstes Kennenlernen, ein Abtasten. Unsicherheit auf beiden Seiten. Anfängliche Zweifel wurden überlagert von einer zaghaften Euphorie. Selbst schwache Testspielergebnisse der DFB-Elf konnten diese nicht trüben. Freunde und Experten versuchten noch zu warnen, doch das wollte das schwärmende Herz nicht sehen. Endlich mal keine Abstiegssorgen und verpasste Saisonziele. Einfach wild und ungehemmt einer Sache hingeben, die doch nur gut werden kann. Träumerisch wurde jeden Tag die DFB-Pressekonferenz geschaut, um dieses Gefühl zu bekommen, das in den besten Sommern doch nur sie erzeugen kann; „Die Mannschaft.“ Nüchtern und mit klarem Kopf muss ihr Name zwar als Produkt aus den Untiefen der Kreativmeetings betrachtet werden, aber was ist bei einer Sommerliebe schon rational?
Doch wie schon damals, als du der kleinen Lisa am Strand von Hiddensee ein Eis ausgegeben hast und sie am nächsten Tag mit ihren Eltern zurück nach Wernigerode gefahren ist, endete auch diese Liason mit der Nationalmannschaft schneller als erwartet. Schon nach dem Mexiko-Spiel blieben viele Nachfragen unbeantwortet, jetzt ist der Kontakt völlig eingeschlafen. Was nun? Einfach eine neue Mannschaft suchen? Eine Fremde zum Turniersieg schreien? Nein, der Romantiker besinnt sich auf die Konstante im Leben. Sie ist immer da, auch wenn sie manchmal in den Hintergrund rückt. Was sonst so selbstverständlich erscheint, wird plötzlich so besonders. Die Eine, die Unverzichtbare, die Liebe zum Herzensverein. Aber was kann sie dir nach all den Jahren noch geben?
Sie verspricht oft nicht mehr die große Turtelei, sie hat ihre Macken, aber du hast schon so viel mit ihr durchgemacht. Die Nationalmannschaft ist flüchtig, der Verein ist immer da. Auch dieses Jahr wirst du dir wieder eine Dauerkarte kaufen, auch in dieser Saison wirst du dich jeden Samstagmorgen in die S‑Bahn setzen und zum Stadion fahren. Du wirst über sie fluchen und die kleinen Erfolge feiern, als wären sie die Weltmeisterschaft. Bei ihr musst du dich nicht verkleiden und bemalen lassen, sondern kannst nach einer durchzechten Nacht hackedicht an ihre Türe klopfen. Diese Liebe gehört nicht jedem, sie gehört nur dir und den anderen Bekloppten, die da Jahr für Jahr mit dir in der Kurve stehen. Als dir das bewusst wird, machst du alte Fotoalben auf und schwelgst in Erinnerungen. Da die Auswärtsfährt nach Cottbus, gemeinsam verloren und doch hattet ihr eine gute Zeit oder die erste Pokalrunde, als ihr völlig unverhofft in der Nachspielzeit den Führungstreffer gegen den Zweitligisten gemacht habt. Mein Güte ist das lange her und dennoch erzählt ihr euch die Geschichten, als wären sie gestern gewesen.
Deine Liebe braucht keinen werbeträchtigen Namen, sie hieß schon immer: FC, Blau-Weiß oder Spielvereinigung. Gemeinsam setzt ihr Hoffnungen in den Nachwuchs oder zumindest in den nächsten Leihspieler. Jahr für Jahr kämpft ihr gegen den Ab- oder um den Aufstieg. Meistens scheitert ihr, aber das ist nur halb so schlimm, denn ihr macht das gemeinsam. Das Bier im eigenen Stadion schmeckt immer noch am besten und erst die Stadionwurst, hach, die Stadionwurst. Dagegen ist das Fanmeilen-Catering ein bloßer Magenfüller. Selbst wenn jetzt ein paar Wochen Funkstille zwischen euch waren, sie wartet nur darauf, dass du dich wieder meldest. Ruf doch einfach mal an.