Partynächte, Taktikfehler und ein „Sauhaufen“ – das Schalker Debakel in Manchester deutete sich lange an. Doch alle Beteiligten unterschätzten die Gefahr. Eine Generalabrechnung mit den Spielern, Heidel, Tedesco und Tönnies.
2. Christian Heidel
Bei der Zusammenstellung eben dieses „Haufens“ muss sich der schon fluchtartig abgewanderte Manager Vorwürfe gefallen lassen. Da steht an erster Stelle sein Transferminus von 40 Millionen Euro. Rein sportlich war der Großteil seiner Transfers nachvollziehbar, sei es der ablösefreie Erwerb des besten deutschen Stürmers Mark Uth, des zweitbesten Zweikämpfers der Liga Salif Sane oder des Frankfurter Pokalsieger-Abräumers Omar Mascarell.
Bei der Rekrutierung neuer Spieler läuft es aber nicht anders als bei Bewerbungen an anderen Arbeitsplätzen: Es kommt auch auf die „weichen Faktoren“ an. Schalke hat nun Spieler im Kader, bei denen Menschen im Ruhrgebiet so schön sagen würden: „Dem guckste vorn Kopp und merks: Da is keiner zu Hause.“ So ein Merkmal muss im Fußball nicht gerade zwingend ein Hemmnis sein, doch innerhalb eines Teams sollten derlei Typen zumindest nicht in Gruppenstärke daherkommen.
Unter der Spielerfluktuation auf Schalke litt die Teamchemie und die Hierarchie. Es fehlte an einer klaren Achse, einem Abwehrchef, Mittelfeldlenker und Numer Neun. Zudem tummelten sich durch Heidels Einkaufspolitik sehr viele französischsprachige Spieler im Kader, die zunächst durch Bindeglieder wie Thilo Kehrer oder Naldo noch den Anschluss zum Rest des Teams hielten. Doch spätestens nach Naldos Abgang und Ralf Fährmanns Demission war überhaupt nicht mehr klar, wer in der Kabine den Ton angeben sollte. Neben Führungsfiguren kamen Schalke auch reihenweise Identifikationsfiguren abhanden – und wurden nicht ersetzt.
Der Linksverteidiger Philipp Max vom FC Augsburg beispielsweise, Sohn des „Eurofighters“ Martin Max, bekundete im „Sportstudio“ seinen Traum, für Schalke 04 aufzulaufen. Schalke hingegen probierte auf der Position drei andere aus: den mittlerweile sehr formschwachen Bastian Oczipka, den körperlich untauglichen Rahman Baba und den in jeder Hinsicht indisponierten Hamza Mendyl.
Christian Heidel hat bei weitem nicht so viel falsch gemacht, wie ihm der Boulevard nun anlastet. Aber auch er muss sich eingestehen: Bei seiner Kosten-Nutzen-Rechnung hat er das große Ganze aus dem Blick verloren.
3. Domenico Tedesco
Heidel stellte diesen Kader auf – natürlich zusammen mit Trainer Domenico Tedesco. Auf seiner zweiten Station im Profifußball konnte der 33-Jährige die Strömungen innerhalb der Mannschaft nur in der ersten Saison auf Schalke in den Griff bekommen. Tedesco probierte, tauschte und experimentierte wie ein Professor, der in ein zu großes Labor geraten war. Taktische Formationen, Aufstellungen und Kaderplätze wurden wild durcheinander gewirbelt. Das lag nicht nur an dem absurden Verletzungspech, sondern auch an der fehlenden Linie und Mannschaftsachse des Trainers.
Im Sommer noch wollte er von seiner Defensivtaktik abrücken und zu einem mutigeren System finden. Bereits nach der Heimniederlage gegen Hertha am zweiten Spieltag rückte er wiederum vom Ballbesitz ab, obwohl er seine Wunschspieler Sebastian Rudy und Mark Uth gerade dafür geholt hatte. In der Folge musste Uth, ein Abschlussstürmer, die unendlichen Weiten des Mittelfelds beackern und Rudy die unendlichen Weiten der Reservebank.
Bei der Auswechslung von Rudy in München nach einer halben Stunde ließ Tedesco jedes Fingerspitzengefühl vermissen. Nicht nur der deutsche Nationalspieler, sondern auch viele andere Akteure wirkten heillos überfordert von den Ausführungen des Trainers. Rudy selbst muss sich zurecht Kritik gefallen lassen, aber dass er eher Techniker denn Grasfresser ist, sollte den Schalkern vor der Verpflichtung bewusst gewesen sein.