Pfiffe von den eigenen Fans, kein Selbstvertrauen. Leroy Sané hat schwierige Wochen hinter sich, doch bei der Nationalelf findet er zu seiner Form zurück und liefert sogar Paradebeispiele in Sachen Defensivarbeit ab.
Eine ähnliche Szene hatte es schon gegen Liechtenstein gegeben. „Zweite Halbzeit, Ballverlust, er geht hinterher, holt sich den Ball wieder. Da kann man vieles erkennen, was Leroy auszeichnet“, berichtete Flick, der diese Szene in der Analyse des Spiels mit der Mannschaft noch einmal ganz bewusst gezeigt hatte.
Dass Leroy Sané einmal zum Role Model in Sachen defensive Entschlossenheit werden würde, das hätte man auch nicht unbedingt erwartet. Eher schien er auf dem besten Weg, legitimer Nachfolger von Mesut Özil in Sachen labbriger Körpersprache zu werden. Das ganze Land hat sich im Sommer, bei der EM, daran abgearbeitet. Miesepetrig und unmotiviert, in sich gekehrt und abwesend, scheu und launisch, angefressen und emotional sehr labil – all das war über Sané zu lesen.
Natürlich hat das auch etwas mit enttäuschten Erwartungen zu tun. Sané galt schon früh als extraordinäre Begabung, er ist schnell, dribbelstark und in seinen besten Momenten einfach unwiderstehlich. „Auch wenn der Raum eng ist, ist er immer in der Lage, sich Freiraum zu verschaffen und zum Abschluss zu kommen“, sagt Hansi Flick.
Doch gemessen an seinen ungeahnten Möglichkeiten und der Ablöse von 50 Millionen Euro war die vergangene Saison, seine erste beim FC Bayern nach der Rückkehr aus England, eher so lala. Dass es auch die erste Saison nach seinem Kreuzbandriss war, hat in der Bewertung allerdings nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Sané selbst hat Anfang des Jahres in einem Interview mit dem „Spiegel“ gesagt: „Ich habe schon das Gefühl, dass auf mich anders geschaut wird als auf andere.“
„Man sagt ja immer, er und ich, wir hätten in München unsere Probleme gehabt. Das ist einfach Unsinn“
Hinzu kommt, dass er ein Spieler zu sein scheint, der Zuspruch benötigt und das Vertrauen seines Trainers spüren muss. Bei Flick ist er damit genau an den Richtigen geraten. „Man sagt ja immer, er und ich, wir hätten in München unsere Probleme gehabt. Das ist einfach Unsinn“, hat der Bundestrainer dieser Tage erzählt. „Wir haben keine Probleme gehabt, und wir werden sie hier auch nicht haben.“
Nicht nur, weil Marco Reus wegen Knieproblemen für das Spiel gegen Island ausfällt, spricht einiges dafür, dass Sané in Reykjavik erneut von Anfang an auflaufen wird – und zwar wieder auf der linken Seite, wo er erkennbar besser klarkommt als auf rechts. Und so könnte nach all den Debatten um seine Person tatsächlich ein wenig Ruhe einkehren. „Wenn er so spielt, ist alles gesagt“, hat Hansi Flick über die jüngsten Auftritte von Leroy Sané in der Nationalmannschaft gesagt. „Dann sind wir alle super happy.“
Der Artikel erscheint im Rahmen unserer Kooperation mit dem Berliner Tagesspiegel.