Mats Hummels ist der neue Kaiser Franz, Manuel Neuer noch immer Manuel Neuer und Bastian Schweinsteiger bald schon wieder Schweini. Die deutschen Spieler in der Einzelkritik.
Manuel Neuer
Der Mann hat einen Ruf. Laufen Stürmer, ob aus Holland, Portugal oder vielleicht auch Spanien, auf Manuel Neuer zu, dann müssen sie unwillkürlich ans Scheitern denken. Das tut keinem Stürmer der Welt gut. Auch nicht Robin van Persie, dem immerhin besten Angreifer der abgelaufenen Premier-League-Saison. Zwar gelang ihm ein Tor gegen Neuer (der den Ball erst spät sah, der Buxe von Kollege Badstuber sei Dank), aber ansonsten sah man ihm die Gedanken an die Scheiterei deutlich an. Und Neuer? Blieb wie immer cool wie ein Eiszapfen. Bis auf den Strahl von Wesley Sneijder. Das entlockte dem Bayern-Keeper doch immerhin ein unhörbares „Meine Fresse!“
Jerome Boateng
Sah spät die gelbe Karte wegen Spielverzögerung und fehlt deshalb gegen Dänemark. „Gina-Lisa hat schon ein Schönes-Wochenend-Ticket nach Polen gebucht!“, lachten denn auch gleich die Radiomoderatoren heute Morgen. Haha. Jetzt reicht´s: Scheiß auf Gina-Lisa, scheiß auf Germanys Next Topklappergestell, scheiß auf Mode überhaupt. Jetzt ist EM! Und da wird Boateng gegen Dänemark definitiv fehlen. Verdammt!
Mats Hummels
„Gewann 101 Prozent seiner Zweikämpfe“, schreibt unser Kollege Stefan Herrmanns vom Tagesspiegel. Wir haben noch einmal nachgerechnet, Herrmanns irrt. Es waren 102. Hummels wird seinem Vorbild Kaiser Franz immer ähnlicher. Führt den Ball so lässig am Fuß wie Shaft die Knarre an der Hüfte, ist seinen Gegenspielern körperlich meistens überlegen und wenn er mal Lust hat, so wie gegen Holland Anfang der zweiten Halbzeit, dann tänzelt er mit großen Schritten über den Platz und schießt beinahe ein Tor. Wenn Hummels jetzt noch seine Interviewsätze mit „Ja, gut, ähhh…“ beginnt, mit einer unbekannten Brasilianerin ein Kind zeugt und anschließend mit einem milden Urteil („Ja, gut, ähh, der liebe Gott liebt alle seine Kinder!“) die erhitzten Gemüter beruhigt, bekommen wir langsam Angst.
Holger Badstuber
Früher war es doch so: Die Holländer hatten (bis auf wenige Ausnahmen) die gut gelaunten Schönspieler in ihren Reihen, während wir versucht haben, ihnen die gute Laune mit ein paar saftigen Grätschen auszutreten. Heute spielen Özil, Schweinsteiger und Müller, allesamt gut gelaunte Schönspieler, für Deutschland und bei den Holländern gibt es grimmige Gestalten wie Mark van Bommel oder Nigel de Jong. Nur gut, dass es Holger Badstuber gibt. Der wirkt zwar immer noch etwas milchig im Gesicht, scheint aber von gleichem Schrot und Korn zu sein, wie seine Ahnen Kohler, Schwarzenbeck, Liebrich und Co.. In das letztlich blutige Kopfballduell gegen Arjen Robben stieg Badstuber einfach mit den Schneidezähnen. Folge: Robben blutete, Badstuber nicht.
Philipp Lahm
War auch von Holländern nicht kleinzukriegen: Nach leichten (aber wirklich nur leichten) Startproblemen wuselte Lahm wieder dem Ball hinterher, wie der Hase dem Igel. Mit dem Unterschied, dass ein handelsüblicher Hase irgendwann müde wird. Lahm, der Duracell-Hase der Nationalmannschaft, wird nie müde. Herrlich seine Duelle mit Arjen Robben. Lahm wusste was, Robben wusste was, am Ende gewann meistens Lahm. Auch weil Robben irgendwann einfach müde wurde.
Bastian Schweinsteiger
Selten hat die an sich unsägliche Fußballfloskel „Er wird von Spiel zu Spiel besser“ besser gepasst, als auf Bastian Schweinsteiger bei der EM. Gegen Portugal noch stiller Arbeiter und Mitläufer, gegen Holland stiller Arbeiter und Vorlagengeber. Zwei Pässe, so scharf wie Muttis Küchenmesser, fanden Mario Gomez und damit das Tor. Wie gut wird Schweinsteiger wohl erst im Finale spielen?
Sami Khedira
Nicht so präsent wie gegen Portugal, was allerdings am wiedererstarkten (und damit präsenteren) Kollegen Schweinsteiger lag. Was Mourinhos Lieblingsschüler auch gegen Holland wieder auszeichnete: Wie kaum ein anderer Spieler auf der Welt kann er Pässe des Gegners erahnen, selbst wie die noch nicht mal gespielt sind. „Räume zumachen“, ist eine beliebte Stilblüte unter deutschen Hobbytrainern. Khedira ist in dieser Disziplin ein Gott. Mindestens. Würden wir es nicht besser wissen, würden wir denken, dass Khedira eigentlich für die Raumgestalter aus Spanien spielt.
Thomas Müller
Nein, es ist nicht das Turnier des Thomas Müller. Bislang jedenfalls. Wie schon gegen Portugal wirkte Müller auf seiner rechten Seite etwas verloren, zu selten bekam er Unterstützung vom doch sehr auf die Defensive eingestellten Boateng. Was machte Müller? Ackerte wie ein Kaltblüter und hatte nach dem Spiel mit Abstand das dreckigste Trikot am Leib. Auch eine Leistung. Wäre nur schön, wenn es nicht bei der stumpfen Maloche bleiben würde. Dafür macht ein Müller in Topform einfach zu viel Spaß.
Mesut Özil
Nein, es nicht das Turnier des Mesut Özil. Bislang jedenfalls. Was vielleicht aber auch daran liegen könnte, dass das Volk Traumpässe und Traumtore von Özil verlangt, und das, bitteschön, gleichzeitig und in jedem Spiel mindestens zweimal. Schließlich spielt der Kerl bei Real Madrid, oder nicht? Beinahe hätte es gegen Holland mit dem Traumtor geklappt, doch Özils früher Volleyschuss mit links klatschte nur gegen den Pfosten. Bleibt trotzdem wie immer festzuhalten: Schön, dass wir ihn haben!
Lukas Podolski
Es fällt schwer, das nach einem Sieg gegen Holland zu sagen, aber Lukas Podolski war eindeutig der schwächste deutsche Spieler auf dem Platz. Zumindest was seine eigentliche Aufgabe betraf: die Offensive. Defensiv ackerte Podolski fleißig mit, nach vorne ging fast gar nichts. Man wünscht sich endlich mal wieder ein Tempodribbling und die linke Klebe. Und wenn das nicht kommt eben Andre Schürrle.
Mario Gomez
Hätten wir viel Geld, keine Skrupel und einen mächtigen Feind, dann würden wir Mario Gomez als Killer anheuern. Keiner ist bei dieser EM so effizient wie der baumlange deutsche Mittelstürmer. Sein Ballmitnahme vor dem 1:0 strafte all diejenigen Lügen, die Gomez immer noch als „Flipper“ abstempeln. Sein Schuss zum 2:0 war zwar haltbar, trotzdem erste Sahne. Wurde dann irgendwann ausgewechselt und konnte selig grinsend auf der Ersatzbank Platz nehmen. Was ein Auftritt.
Miroslav Klose
Kam, rackerte, schnaubte, wedelte beim Sprint gekonnt in Klose-Manier mit den Handgelenken, dann war das Spiel auch schon vorbei. Langsam müssen wir uns eingestehen, dass Miroslav Klose, der große alte Mann, sich auf einer Abschiedstournee befindet. Das tut weh, aber für Schmerzen haben wir gerade keine Zeit.
Toni Kroos
Spielte kurz mit, das ja. War aber eigentlich nicht der Rede wert.
Lars Bender
Immerhin: Diesmal durfte er mehr als einen Sprint hinlegen. Nämlich zwei. Dann war es auch schon vorbei. Kann seinen Enkeln trotzdem irgendwann erzählen, dass er mitgeholfen hat, Portugal und Holland zu putzen. Und wer kann das schon von sich behaupten?