Der VfB Stuttgart weiter tief im Abstiegskampf. Wer zuletzt das Spiel in Berlin gesehen hat, fragt sich: Ist das den Schwaben überhaupt bewusst?
Für die Stuttgarter wurde die Spielzeit von Beginn an zur Seuchen-Saison. Immer wieder wurde die Mannschaft von Corona-Ausfällen gebeutelt, Silas kam aufgrund einer Sperre und zahlreichen Verletzungen nur auf neun Einsätze und auch Torjäger Kalajdzic fehlte lange verletzungsbedingt. Das sorgte dafür, dass Matarazzo quasi nie auf seine Top-Elf zurückgreifen konnte und immer wieder gezwungen wurde, Mislintats Talente ins kalte Wasser zu werfen. Zudem blieben von Beginn an die Ergebnisse aus. Kein einziges Mal konnten die Schwaben in dieser Saison zwei Bundesliga-Spiele am Stück gewinnen. Highlights wie das angesprochene Dortmund-Spiel in der Vorsaison? In dieser Spielzeit Fehlanzeige. Stattdessen hagelte es statt positiven eher negative Ausrutscher, wie das 0:4 gegen Leipzig, das 1:4 in Augsburg und das 0:5 gegen den FC Bayern. Ein weiterer Beleg dafür, dass die Stabilität der Mannschaft in dieser Spielzeit leicht zu erschüttern ist.
Im März schien es dann so, als hätte sich die Mannschaft gefangen. Sieben Punkte aus drei Spielen, die Rückkehr von Torjäger Kalajdzic und dazu Winter-Neuzugang Tiago Tomas, der die Offensive belebte. Die Mannschaft kletterte in dieser Zeit von einem direkten Abstiegsplatz auf Tabellenplatz 14. Es schien, als würde sich die individuelle Qualität der Stuttgarter dann doch noch bemerkbar machen, denn, so waren sich die Experten einig, eigentlich sei der VfB zu gut um abzusteigen. Doch so schnell die Euphorie aufkam, verflog sie allerdings auch wieder. Noch kein Spiel konnten die Canstätter im Monat April gewinnen, neben dem Hertha-Spiel holten sie auch gegen den direkten Konkurrenten aus Bielefeld nur einen Punkt – und stehen aktuell auf dem Relegationsplatz, näher am direkten Abstieg als am rettenden Ufer.
Während sich Trainer Matarazzo dieser Tage in Durchhalteparolen („Wir sind nach wie vor davon überzeugt, die Klasse zu halten“) flüchtet, fehlt es der Mannschaft vor allem an Leidenschaft und Überzeugung. Es scheint, als hätte sich die einschlägige Expertenmeinung, dass der VfB zu gut sei um abzusteigen, auch im Team breitgemacht. Mit 55 Gegentoren liegen die Stuttgarter schon heute über dem Wert der Vorsaison, das Hertha-Spiel hat die Defensiv-Schwäche einmal mehr schonungslos offengelegt.
Zudem krankt die Offensive seit Wochen, ein Kalajdzic in Normalform alleine scheint aktuell schlicht zu wenig zu sein. Und dennoch ist die fußballerische Qualität, die zweifelsfrei in der Mannschaft steckt, gleichzeitig das größte Plus im Abstiegskampf. Im Gegensatz zum direkten Konkurrenten aus Bielefeld verfügt der VfB über deutlich mehr spielerische Ansätze und Lösungsmöglichkeiten, der Spielzug aus Flanke Sosa und Kopfball Kalajdzic kann jeden Gegner in der Liga in Verlegenheit bringen. Und auch das Restprogramm könnte zum Stuttgarter-Trumpf werden. Von den drei verbleibenden Gegnern geht es lediglich für den 1. FC Köln noch um den Europapokal-Einzug, während Wolfsburg und die Bayern um die berühmte goldene Ananas spielen. Auch die Fans stehen nach wie vor hinter der Mannschaft. Während es beim Berliner Konkurrenten nach dem verlorenen Derby gegen Union zum Bruch zwischen Mannschaft und aktiver Fanszene kam, stand die „Canstatter Kurve“ auch im Olympiastadion hinter dem Team. Bis zum Anpfiff. Da entlud sich der Frust der Fans aus dem Gästeblock in Richtung der Mannschaft, die sich davor positioniert hatte.
So vielschichtig wie die Gründe für die Stuttgarter Tabellensituation auch sein mögen, so einfach scheint der Lösungsansatz zu sein: die Mannschaft muss den Abstiegskampf annehmen. Was sich trivial anhört, könnte allerdings für die Mannschaft der erste Schritt zum Klassenerhalt sein. Nehmen sie den Kampf an, vermischen die angesprochene spielerische Qualität mit Tugenden wie Laufbereitschaft, Leidenschaft und Einsatz könnten sie so den Weg für eine weitere Saison im Oberhaus ebnen und sich gerade nochmal so über die Ziellinie retten: Oder, wie der Schwabe sagt: „Um a Muggeseggele“
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