Derby-Zeit, das bedeutet Leidenschaft, Kampf und unbedingter Siegeswille. Scheinbar wurde vergessen, dies den Schalke-Spielern mitzuteilen. Ihr Auftritt war über 90 Minuten hinweg blutleer und lethargisch. Besonders die Laufstatistiken belegen dies: Am Ende hatte der BVB insgesamt sechs Kilometer mehr zurückgelegt (117,5 km zu 111,2 km) und auch im Bereich der intensiven Läufen (Sprints mit mehr als 20 km/h) lagen sie klar vorne (9,7 km zu 8,1km). Der BVB musste nicht mal an seine letzten Grenzen gehen, um die Schalker läuferisch zu übertrumpfen – normalerweise laufen die Dortmunder knapp zehn Kilometer mehr als im Derby.
Noch erschreckender als die schwache Laufleistung war die totale Kreativlosigkeit der Königsblauen. Ihr Offensivspiel beschränkte sich auf ein einziges Muster: Im Spielaufbau wurden stets die Außenverteidiger gesucht, welche mit einem Vertikalpass den Außenstürmer vor sich einsetzen wollten. Variationen, beispielsweise Spielverlagerungen durch Diagonalbälle oder Angriffe durch das Zentrum, kannte ihr Spiel nicht. Den Dortmundern wurde das Verteidigen so leicht gemacht. Santana und Leitner mussten sich nur aus der Zentrale lösen, um die gegnerische Außen mit einer Überzahl von ihren Mitspielern zu isolieren. Das Doppeln als totale Zerstörung der gegnerischen Offensivleistung – so einfach kann Verteidigen in der Bundesliga sein.
Die drückende Überlegenheit, die sich für den BVB ergab, resultierte eher aus der Schalker Schwäche als aus einer starken Dortmunder Leistung. Gegen einen tief verteidigenden Gegner hatten diese nämlich ihre liebe Mühe, Torchancen zu kreieren. Im letzten Drittel überzeugte der BVB nicht und spielte viele Fehlpässe.
Schalker Hühnerhaufen
Die Pässe von Götze und Co. hinter die gegnerische Abwehr waren selten präzise, was sich auch in der Passquote des gesamten Teams wiederspiegelte (in Halbzeit eins nur bei 77%). Aus dem Spiel heraus kam bei den Schwarz-Gelben kein einziger Pass in den gegnerischen Strafraum beim Mitspieler an. So musste eine Standardsituation zur Führung herhalten. Lewandowski köpfte völlig freistehend ein – die Schalker Verteidigung glich in dieser Situation einem Hühnerhaufen (16.). Der BVB war trotz einer für sie durchschnittlichen Leistung heillos überlegen, das Torschussverhältnis lag zur Pause bei 9:1.
Nach dem Wiederanpfiff pressten die Schalker etwas höher und eröffneten etwas, was wohlwollend als „Drangphase“ bezeichnet werden könnte. Ballgewinne in der gegnerischen Hälfte oder gar große Torchancen gab es freilich keine, und so konnte Santana mit dem 2:0, abermals nach einer Standardsituation, den Deckel auf das Spiel setzen (61.).
Die Dortmunder spielten nun freier auf, während sich die Schalker komplett aufgaben. Der BVB kombinierte in der Schlussviertelstunde besser durch das Zentrum, auch weil alle Schalke-Akteure mit Gelb vorbelastet waren und weniger aggressiv in die Zweikämpfe gingen. Am Ende mussten sich die Schalker bei Keeper Unnerstall bedanken, dass ihre desaströse Leistung nicht in einem deutlichen Debakel endete.
—-
Ballbesitzstatistiken, Spielfeldmatrixen und taktische Formationswechsel – für manche Fans ein rotes Tuch, für Tobias Escher eine Leidenschaft. Zusammen mit seinen Kollegen analysiert er die Taktik der Bundesligisten auf dem Blog Spielverlagerung.de.