Sie malochten ein halbes Leben zusammen unter Tage und lebten Tür an Tür. Doch Olaf Bock und Heinz Küffhausen streiten bis heute über die entscheidende Frage: Schalke oder Dortmund?
Es gibt die Hollywoodfilme mit Walther Matthau und Jack Lemmon, in denen sich die beiden zeit ihres Lebens bekriegen und sich selbst im hohen Alter noch an den Kragen wollen. „Immer noch ein seltsames Paar“, so der Titel ihres letzten gemeinsamen Films, hätte auch eins zu eins von Küffhausen und Bock handeln können. Jahrzehntelang gingen die beiden zusammen auf Zeche, sie waren direkte Nachbarn, wechselten zusammen den Pütt. Als auch die letzten Zechen dichtmachten, musste eine andere Tätigkeit her. Die Bergleute definieren sich über ihre Arbeit, zu Hause zu sitzen oder krankzufeiern, das gilt als ein Zeichen von Schwäche. So arbeiteten sie zusammen bei einem Industrieservice, putzten die Böden, Kessel und Treppen in Fabriken. Der eine schimpfte auf den anderen, sie tauften sich gegenseitig „Bowlingkugel“ und „Sabbelkopp“. Heute betreut Küffhausen gehandicapte Kinder bei Busfahrten, Bock ist Hausmeister in einem Seniorenheim. Die Biografien mögen sich gleichen, 30 Jahre Nachbarn, 30 Jahre Arbeitskollegen.
Doch das Leben der beiden unterscheidet sich an einem, dem wichtigsten Punkt: Der eine ist Schalker, der andere Dortmunder.
Zwei unterschiedliche Lieblingsvereine, das mag woanders vielleicht eine Petitesse sein, doch nicht in dieser Ecke der Welt. Hier, wo die Frage „Wie geht es dir?“ mit dem Ergebnis vom Wochenende beantwortet wird. Eine Ecke, in der manche Eltern eben nicht stolz der Verwandtschaft vorführen, wie ihr Sprössling schon vor der Einschulung die Primzahlenreihe aufsagen kann, sondern wie er lückenlos die Aufstellung von Schalke oder Dortmund beherrscht. Und eine Ecke, in der sie dafür nicht Geringschätzung, sondern aufrichtige Anerkennung ernten. Hier hängt der Spielplan direkt neben dem Kalender an der Küchenwand. Der Termin des Revierderbys ist dicker rot markiert als der eigene Geburtstag. Olaf Bock und Heinz Küffhausen trafen sich in all den Jahren auch nach der Arbeit auf eine Flasche Bier am Gartenzaun. Die Leute hier lernen ja klischeegemäß bereits im Brutkasten, wenn nicht sogar pränatal, zwei Grundtugenden: eben nicht nur datt Malochen, sondern auch datt Klönen, also das Erzählen.
Was den Römern der Versammlungsort Forum war, ist den Püttrologen die Trinkhalle oder der Gartenzaun. „Mein Haus ist dein Haus“ heißt hier „Komma ruhich bei mich in Gatten“. Hier verquatscht man schon einmal den Nachmittag, und meistens geht es natürlich um den Fußball, das Grillen oder beides. Der Garten oder die dort befindliche Laube erfahren Pflege und Achtung, als stünden sie nicht im Herzen von Castrop-Rauxel, sondern in der Peripherie von Sanssouci. Das hier ist die Schule für Schlagfertigkeit und Pointensicherheit – und so wäre es verschenkt, würde man die Anekdoten in indirekter Rede oder gar in Hochdeutsch nacherzählen.
Olaf Bock über die verpasste Meisterschaft 2001:
Ich denk, wir sind Meister. Schön raus ausse Kneipe, und ab nach Hause. Ich denk auf eima: Sauba, ich hab noch ne eiskalte Kiste Bier zu Hause, astrein. Ich komm da rein, da fällt mir alles ausm Gesicht. Bayern an Jubeln, alles scheiße, ich an Heulen wien Schlosshund. Und der Bayern-Fan, der Nachbar von paar Häuser weiter, iss da drüben an Tanzen. Ich denk, watte ab, du Schweinesack. Gezz hatte ich noch schön n paar Knallfrösche von Silvester in Keller, zack, rüber. Und n Kübel Krautsalat, alles rübergeschmissen. Der iss gesprungen, aber da war Ruhe. Hier iss schon watt abgegangen teilweise.
Heinz Küffhausen über Ottmar Hitzfeld:
Ich hab den Hitzfeld ma richtich watt kommen lassen. Hitzfeld war noch Spieler, datt war Stuttgart gegen Dortmund. Da hattern dickes Foul gemacht, ich hatte son Rochus auf den. Auffem Gang zur Kabine bin ich rüber und hab ihm n paar Takte gesacht. Da wurd er ösig und frech, hat er n Gelben hochgeholt und mir inne Fresse gerotzt. Ich über die Barriere und hab ihm voll eine getafelt. Er sachte: Ich zeig dich an. Ich sach: Hier iss mein Name, Heinz Küffhausen, kanns mich anzeigen. 30 Jahre später steht mein Ottmar im Westfalenstadion nach der Meisterschaft und die Spieler und er am Zapfen für die ganzen Fans. Ich mich durchgedrängelt mitte Ellebogen nach vorn und ich sach: „Na, Ottmar?! “ Er guckt. „Nee, ne?! Ker, Heinz, wie geht’s dir denn? Wie viel willse?“ Da hatter gezapft wien Weltmeister. Da sindse alle ausse Socken gesprungen.
Eigentlich müsste man die beiden Sonntag für Sonntag als Experten in den „Doppelpass“ auf Sport1 einladen, um die Quote der Sendung in die Höhe schnellen zu lassen. Doch Bock und Küffhausen setzen sich nicht mehr an einen Tisch. Sie haben sich zerstritten. Nicht eine einfache Meinungsverschiedenheit, sondern eine heftige Auseinandersetzung bis vor Gericht hat die beiden endgültig auseinanderdividiert.