Von Mohamed Azima gibt es heute nicht mal mehr ein Bild. Dabei war der Mann einen Winter lang Arminia Bielefelds Versprechen auf eine bessere Zukunft. Dachte zumindest Jens Kirschneck.
Anfang 1994 ging es Arminia Bielefeld mal wieder nicht gut. Schon im sechsten Jahr hintereinander spielte der Verein unseres Herzens in der drittklassigen Oberliga Westfalen, und ein Ende der Leidenszeit war nicht abzusehen. Wieder einmal hatte Arminia im Sommer eine Reihe hoffnungsvoller Neuzugänge verpflichtet, deren Namen allein schon den puren Glamour versprachen. Sie hießen Markus Wuckel oder Torsten Chmielewski und so spielten sie auch.
Dennoch gab es vor dem Beginn der Rückrunde noch eine kleine Chance auf den Wiederaufstieg in die zweite Liga, wenn man denn nach sechs Jahren noch von einem Wiederaufstieg reden kann, weil sich nur noch die Älteren daran erinnern, wie das war, in der zweiten Liga zu spielen. Jedenfalls wollte sich die Klubführung von Arminia Bielefeld nicht nachsagen lassen, sie hätte nicht alles versucht, um den westfälischen Giganten TuS Paderborn-Neuhaus noch von der Tabellenspitze zu verjagen. Und so stand eines Tages Mohamed Sedima Abdel Azim auf der Matte, kurz Azima genannt. Gleich nach der Verpflichtung des aus Ägypten stammenden Angreifers fand auf der Alm ein Testspiel statt, der Gegner tut heute nichts mehr zur Sache und kann auch nicht eruiert werden. Doch woran ich mich für den Rest meines Lebens erinnern werde, war die Vorstellung von Azima, der mit einer Schnelligkeit und Ballfertigkeit brillierte, die wir damals nur aus dem Fernsehen kannten.
Nach dem Match gingen die zugegebenermaßen nicht übermäßig vielen Augenzeugen mit seligen Gesichtern nach Hause, so als hätten sie gerade eine religiöse Erscheinung erlebt. Dieser Mann würde uns zum ersehnten Aufstieg führen, so viel stand fest! Wochenlang standen Arminia-Fans in Kleingruppen zusammen und raunten sich zu: „Der Ägypter…“
Meinen Freund KL und mich hatte es besonders stark erwischt, „der Ägypter“ wurde in unserer Vorstellung zum besten Spieler der Welt. Dass in seiner Vita bis dahin lediglich ein paar Zweitligaspiele für Fortuna Köln und den VfB Oldenburg vermerkt waren: geschenkt. Bei uns würde er den ganz großen Durchbruch schaffen.
Nun, es kam anders. Azima legte ordentlich los, doch spätestens mit dem seinerzeit üblichen 0:3 gegen unseren Erzrivalen Preußen Münster war die Spielzeit gelaufen. Ausgerechnet Mohamed Semida Abdel Azim gab dabei keine besonders gute Figur ab, weil er leider die Defensivarbeit nicht erfunden hatte und Münster uns gnadenlos auskonterte. Kurz darauf fand in Bielefeld eine Pressekonferenz statt, wo der neue Manager Rüdiger Lamm die Verpflichtung der Bundesligastars Fritz Walter, Thomas von Heesen, Armin Eck und Jörg Bode zur neuen Saison verkündete. Vom Ägypter war danach nicht mehr die Rede.
Ein paar Jahre danach habe ich mal versucht zu recherchieren, was aus dem Mann geworden ist, doch seine Spur verlor sich kurz hinter Bielefeld. Der Ägypter war offensichtlich ein Phantom, das seinen kurzen Karrierehöhepunkt an einem kalten Winterabend auf der Bielefelder Alm erlebt hatte. Mittlerweile allerdings haben sich dank des globalen Internets die Rechercheoptionen vervielfältigt und so habe ich den Namen des Sportfreundes noch mal in die Suchmaschine eingeben. Das Resultat: Azima kickte im Anschluss an sein Bielefelder Engagement zwei Jahre bei Vorwärts Steyr in Österreich, wo er im zweiten Jahr mit den historischen Ergebnis von lediglich sechs Pluspunkten aus der ersten Liga abstieg. Danach landete er in Südkorea bei einem Verein mit dem schönen Namen Ulsan Hyundai Horang‑i. Mit Ägypten nahm er einmal am Afrika-Cup teil, schied aber ohne Punkt und Tor nach der Vorrunde aus. Später spielte er wieder in Deutschland, und zwar in Homburg und Pfullendorf. Der Ägypter war eine echte Granate. Ich habe es immer gewusst.