Nach neun Jahren Juve-Dominanz hat Antonio Conte Inter Mailand souverän zur italienischen Meisterschaft geführt. Die Mannschaft lieferte konstant ab – Kritik an der Spielweise hält sich dennoch hartnäckig.
Die Mannschaft verfolgt einen klaren taktischen Plan, der auf einer soliden Defensive mit Dreierkette und vertikalem Spiel in Richtung gegnerisches Tor beruht. Anfangs versuchte man es öfters mit hohem Pressing, seit Mitte der Saison steht Inter deutlich tiefer. Wenn es sein muss, wird eine knappe Führung auch mit zehn Feldspielern am eigenen Sechzehner verteidigt, so wie beim 2:1‑Sieg gegen den Tabellenachten US Sassuolo. Inters Ballbesitzanteil in diesem Spiel: 30 Prozent. Drückt man es positiv aus, verkörpert der Spielstil des Meisters die traditionellen Stärken des italienischen Fußballs: Clevere Taktik, starke Defensive und Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Tor – eine Art Catenaccio 2.0.
Weniger positiv drückt es Antonio Cassano aus, der von 2012 bis 2013 auch mal eine Saison lang für Inter auflief: „Sie spielen keinen guten Fußball. Sie spielen kein Pressing und verteidigen 30 Meter vor dem eigenen Tor. Es ist langweilig, ihnen zuzuschauen“, lästerte der ehemalige Nationalspieler. Als nicht gerade für seinen Trainingsfleiß bekannter Edeltechniker hätte er wohl wenig Spaß unter Conte gehabt. Auch der frühere Inter-Profi und heutige Sky-Experte Daniele Adani gratuliert zwar zum verdienten Meistertitel, hält mit einem derart starken Kader aber eine Veränderung des Spielstils für nötig: „Wer in Europa etwas gewinnen will, braucht eine modernere und konstruktivere Fußball-Philosophie.“ In der Tat lief es in der Champions League für Inter nicht rund. In einer Gruppe mit Real Madrid, Borussia Mönchengladbach und Schachtar Donezk schied man mit nur einem Sieg als Letzter aus. Die Angriffe von allen Seiten nach dem Ausscheiden habe man als Motivationshilfe genutzt, verriet Conte, der als Trainer noch nie einen internationalen Titel gewonnen hat. Kritik an der Spielweise weist er zurück. Große Mannschaften müssten immer abwägen, wann sie angreifen können und wann sie sich besser zurückziehen.
„Es ist langweilig, ihnen zuzuschauen“
Nun wird mit Spannung erwartet, ob Inter in der kommenden Saison den Titel verteidigen kann und auch international eine bessere Rolle spielen wird. Allerdings stehen hinter der Zukunft einige Fragezeichen. Klub-Präsident Zhang flog nach monatelanger Abwesenheit pünktlich zum Titelgewinn aus China ein und feierte ausgelassen, die wirtschaftliche Situation bleibt aber nicht nur wegen fehlender Zuschauereinnahmen angespannt. Gehälter werden teils mit deutlicher Verspätung überwiesen und auch auf eine Meisterprämie müssen die Spieler angeblich verzichten.
Während der Saison verhandelte Haupteigentümer Suning über einen Verkauf seiner Anteile, das Projekt Stadionneubau liegt angesichts der unsicheren Zukunft weiterhin auf Eis. Die chinesischen Eigentümer wollen offenbar vorerst die Mehrheit am Klub behalten, suchen aber seit Monaten nach frischem Investorengeld. Eine Transfer-Offensive ist im Sommer nicht zu erwarten – eher muss der Verein den einen oder anderen Topspieler abgeben. Auch Conte hat seinen Verbleib trotz laufenden Vertrags noch nicht bestätigt. Jetzt sei nicht die Zeit, um über die Zukunft zu reden, sagte er nach dem Titelgewinn. Er wolle erst einmal einen Monat lang den Erfolg genießen.