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Amaia Goros­tiza schaut die Wand der Tief­ga­rage an. Wäh­rend draußen die Ankunft der Galak­ti­schen die bas­ki­sche Klein­stadt Eibar an die Grenze ihrer Mög­lich­keiten bringt, zeigt ein Ver­wal­tungs­rats­mit­glied auf­ge­regt auf die unter­schied­li­chen Ver­ar­bei­tungen des Betons. Goros­tizas Mund sagt: Vale, okay“, aber ihr Blick sagt, dass sie für die Tief­ga­ra­gen­wand im Moment keinen Kopf hat. Es sind noch andert­halb Stunden bis zum Anpfiff, noch zwanzig Minuten, bis sie Flo­ren­tino Perez, den mäch­tigsten Mann im spa­ni­schen Fuß­ball, zum Brunch treffen wird. Sie geht nach draußen. Sirenen ertönen, Blau­licht fla­ckert, Foto­grafen laufen schreiend umher. Aber die Auf­re­gung gilt nicht ihr, son­dern dem weißen Bus mit dem könig­li­chen Wappen, der sich durch die engen Gassen zum Sta­dion zwängt.

Es sind zwei Welten, die an diesem Samstag Ende November auf­ein­an­der­prallen. Auf der einen Seite Real Madrid, der größte Verein des Pla­neten, 33 Mal spa­ni­scher Meister, 13 Mal Cham­pions-League-Sieger, Markt­wert des Kaders: eine Mil­li­arde Euro. Auf der anderen Seite SD Eibar, einmal Zweit­li­ga­meister, der kleinste Verein der Liga. Markt­wert: 55 Mil­lionen Euro. In das Sta­dion Ipurua passen 7000 Zuschauer – in das Estadio Ber­nabeu drei Mal mehr Men­schen, als in der 27 000-Ein­wohner-Stadt in der Mitte des Bas­ken­landes leben. Auch die Prä­si­denten könnten gegen­sätz­li­cher nicht sein. Flo­ren­tino Perez, mil­li­ar­den­schwerer Groß­un­ter­nehmer und einer der ein­fluss­reichsten Men­schen Spa­niens, regiert seinen Klub mit eiserner Hand. Er trägt dunklen Anzug, blaue Kra­watte, strammen Sei­ten­scheitel. Ein Allein­herr­scher der ganz alten Schule, über den Reals Vize­prä­si­dent Emilio But­ra­gueno einst sagte: Er ist ein höheres Wesen. Ein Anführer, der es gewohnt ist, Befehle zu geben.“ Amaia Goros­tiza, in Eibar geboren, in Eibar geblieben, hält hin­gegen nichts von strengen Hier­ar­chien. Sie ist eine Frau, die ihre beruf­liche Sozia­li­sa­tion nicht im Pro­fi­fuß­ball erfahren hat, der Branche der großen Egos, wo bei jeder Krise reflex­artig nach festen Struk­turen und echten Kerlen“ geschrien wird. Sie leitet den lokalen Auto­tei­le­her­steller Amaya Tel­leria, den ihre Mutter 1958 gegründet hat. Zum teuren Schmuck trägt sie ein Stoff­arm­band aus dem Eibar-Fan­shop. Wenn sie über sich reden soll, wech­selt sie häufig zum Wir“ und spricht von Team­work. Unter meinem Vor­gänger war der ganze Verein von andert­halb Leuten abhängig“, sagt Amaia Goros­tiza. Ich glaube aber nicht an ein Kon­zept, das auf eine Person aus­ge­richtet ist. Wir müssen hier Ver­trauen in die Stärken jedes Ein­zelnen haben.“

Ab in die Küche“

Seit 2014 spielt Eibar in der ersten Liga. Seitdem sitzt auch Amaia Goros­tiza im Auf­sichtsrat. Mit Hilfe einer Crowd-fun­ding-Kam­pagne bekam der Verein, der auch in der zweiten Liga zu den ärmsten gehörte, das Budget für die Pri­mera Divi­sion zusammen. Wir mussten Klub­an­teile ver­kaufen, um das zu schaffen“, sagt Goros­tiza. Aber wir wollten uns nicht an einen großen Investor ver­scher­beln. Wir wollten eine soziale, eine kol­lek­tive Her­an­ge­hens­weise wählen.“ Jetzt gehört die Hälfte des Ver­eins über 11 000 Men­schen aus 69 Län­dern. Die ersten beiden Sai­sons konnte sich der Verein, mal mit Fleiß, mal mit Glück, in der ersten Liga halten. Einmal war Eibar sogar schon abge­stiegen, doch weil dem FC Elche die Lizenz ent­zogen wurde, durften die Basken bleiben. Spä­tes­tens danach war klar: Prä­si­dent Alex Aranzabal, der Mann also, der Goros­tiza in den Verein geholt hatte, war nicht mehr der rich­tige für den Job. Die Suche nach einem Nach­folger hatte sich schnell erle­digt: Goros­tiza, die Frau, die im Verein als fähigste Unter­neh­merin galt, die Frau, die seit ihrer Kind­heit Fan des Ver­eins war, wurde zur Prä­si­dentin gewählt.

So normal eine weib­liche Füh­rungs­kraft mitt­ler­weile sein sollte, so vor­her­sehbar waren die Reak­tionen zu ihrer Wahl: Was soll denn so was?“, Keine Ahnung vom Fuß­ball“, Ab in die Küche“, Alles was sie vom Fuß­ball weiß, hat sie zufällig auf­ge­schnappt, als sie ihrem Mann Bier gebracht hat.“ Unter Arti­keln über Goros­tiza stehen noch immer solche Kom­men­tare, meist von Fans anderer Ver­eine. Auch vor dem Spiel gegen Real ist ein junger Mann aus der Haupt­stadt ver­wun­dert, als er von der Prä­si­dentin hört: Wirk­lich? Warum darf sie das machen?“ Dabei haben Ver­eins­prä­si­den­tinnen in Spa­nien fast schon Tra­di­tion. 1994 ernannte José Maria Ruiz-Mateos, der Haupt­ak­tionär von Rayo Valle­cano, seine Ehe­frau Teresa Rivero zur Prä­si­dentin. Bei Ath­letic Bilbao folgte Ana Urquijo, in Valencia Lay­hoon Chan, und aktuell hat Vic­toria Pavon beim C.D. Leganes das Sagen – Goros­tiza war aller­dings die erste Frau, die in das Amt gewählt und nicht von einem Besitzer ernannt wurde. In Deutsch­land ist das Fuß­ball­ge­schäft ein noch exklu­si­verer Män­ner­bund. Frauen wie Sandra Schwedler (FC St. Pauli), Britta Hei­de­mann (1. FC Köln) und Wiebke Gorny (RB Leipzig) sind in den Auf­sichts­räten von Erst- oder Zweit­li­ga­ver­einen abso­lute Aus­nahmen – eine Prä­si­dentin wirkt heute noch undenkbar.