Young-Boys-Trainer Adi Hütter verwandelte die Lachnummer der Nation in einen überlegenen Schweizer Meister. Nun tritt er in Frankfurt die Nachfolge von Niko Kovac an.
Plötzlich war sie zurück, diese uralte Angst. Als ein gewisser Christian Schneuwly kurz nach der Pause das 1:0 für die Gäste vom FC Luzern erzielte, konnte man sie förmlich riechen. Nur nicht wieder alles „veryoungboysen“, dachte der Großteil der 31.120 Zuschauer im Berner Stades de Suisse.
„Veryoungboysen“ – dieses Verb-Ungetüm hat längst einen Stammplatz im Schweizer Sprachgebrauch, denn die Young Boys Bern sind seit Jahrzehnten der Champion im Vermasseln, Verspielen und Verschlampen von (Titel-)Chancen. Besser gesagt: Sie waren es. Denn seit Samstagabend ist YB – gesprochen: „Ih-Beh“ – wieder Meister. Zum ersten Mal seit 1986 – oder: seit 32 endlosen Jahren. Guillaume Hoarau und Jean-Pierre Nsame drehten die Partie gegen Luzern und stellten vier Spieltage vor Schluss die letzten noch fehlenden Punkte sicher.
„Trainergott“
Die ewigen Loser aus Bern, die im Sommer wichtige Stars für insgesamt 22 Millionen Euro verkauft hatten (darunter Denis Zakaria nach Gladbach und Yvon Mvogo nach Leipzig), haben es allen Spöttern gezeigt. Endlich. Nach acht Jahren ununterbrochener Regentschaft des FC Basel. Zwischenzeitlich hatte keiner mehr daran geglaubt, dass die Schweizer Version des FCB jemals wieder vom Thron stürzen könnte. Keiner, bis auf einen.
Mitten im Jubeltrubel bei den Young Boys reckte jemand ein Bild von Adi Hütter in die Luft, darauf stand geschrieben: „Trainergott“. Das ist zwar übertrieben, aber nur ein bisschen, denn der Österreicher ist der eigentliche Erschaffer dieses Wunders von Bern. Hütter höchstselbst war es, der den leidgeprüften Young Boys vor Saisonbeginn ein radikales Umdenken verordnet hatte – weg vom ewigen Zweifeln, hin zum felsenfesten Selbstvertrauen: „Ich denke, wir sollten die Gelegenheit nutzen, allen mitzuteilen, dass wir überzeugt sind und auch daran glauben, Meister werden zu können“, verkündete der Ex-Torjäger. Denn der 48-Jährige wusste: Glaube versetzt Berge, erst recht in der Schweiz.
Hütter galt schon als einer von vielen
Dabei hatte Adi Hütter in Bern schon als einer von vielen gegolten. Einer, der gekommen war, um dort Meister zu werden – und am Ende doch ohne den Super-League-Titel heimgehen würde. So wie vor ihm u.a. Vladimir Petkovic, der heutige Schweizer Nationaltrainer. Oder Christian Gross, der einstige Erfolgscoach des lange Zeit übermächtigen Rivalen FC Basel.
Auch Hütter, der „Ösi“, musste sich zunächst zweimal mit der Vizemeisterschaft begnügen. Das war zwar aller Ehren wert, änderte jedoch nichts am Verlierer-Image der Berner. „Veryoungboyst“, hieß es. Gescheitert. Wie schon so oft.
In dieser Saison aber sollte endlich alles anders werden. Hütter hatte sein Team mit einem Spielcode ausgestattet, der einfach nicht zu knacken war, weil er sich ständig änderte: Anfangs hatte der einstige Trainer von RB Salzburg (wo Hütter 2015 als Nachfolger von Roger Schmidt das österreichische Double gewann) auch in Bern kompromissloses Red-Bull-Pressing spielen lassen. Als dieses Muster dechiffriert schien, reagierte der 48-Jährige, indem er ständig die Pressingzonen verschob und fortwährend das Positionsspiel justierte. Die Gegner verzweifelten an so viel Variabilität und Feuerkraft. Gleich fünf Berner Profis kommen auf neun Saisontore oder mehr.
Selbst der große FC Basel konnte irgendwann nicht mehr mithalten. Zu groß war der Vorsprung der Young Boys, fußballerisch und tabellarisch. Als der bisherige Serienmeister im direkten Duell am Ostermontag nicht über ein 2:2 hinauskam, schien das Titelrennen endgültig entscheiden. Das internationale Fachpublikum war begeistert, denn Konzepttrainer sind überall begehrt. Und hier präsentierte sich einer der besonderen Art. Im Winter war bereits Werder Bremen an Hütter dran gewesen. Auch der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) wollte ihn – als Nationalcoach.
Dortmund und Gladbach sollen vorgefühlt haben
Doch Adi Hütter, der eigentlich Adolf heißt, blieb lieber in Bern. „Wenn man hier die Möglichkeit hat, nach 32 Jahren wieder Meister zu werden, kann man nicht so einfach weggehen“, sagte er dem österreichischen „Sportmagazin“. Zumal man als Meister und möglicher Doublesieger bekanntlich noch prominentere Arbeitgeber auf sich aufmerksam machen kann.
So sollen deutsche Branchengrößen wie Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach interessiert gewesen sein. Auch bei RB Leipzig stand Hütter angeblich hoch im Kurs. Ralf Rangnick persönlich hatte den gebürtigen Vorarlberger einst in der Zweigstelle Salzburg installiert, wo Hütter vielversprechende Jungstars wie Naby Keita und Marcel Sabitzer formte. Seit heute ist aber klar: Das Rennen um den Österreicher hat Eintracht Frankfurt gemacht. Am Main wird er ab dem Sommer auf Niko Kovac folgen. Wenn man sieht, was Hütter mit Bern erreicht hat, kann man dem deutschen Pokal-Finalisten zu dieser Verpflichtung nur gratulieren.