Vincenzo Grifo kehrt per Leihe zu seinem „Wohlfühlverein“ und „Vaterfigur“ Streich nach Freiburg zurück. Dort soll er die Lücke schließen, die er selbst hinterlassen hat. Eine Win-Win-Win-Situation?
In Freiburg hat man sich daran gewöhnt, Leistungsträger weiterziehen zu sehen. „Er hat sich verabschiedet“, kommentierte SC-Präsident Fritz Keller einigermaßen resigniert im Sommer 2017 den Wechsel von Vincenzo Grifo nach Mönchengladbach, „das ist leider so.“
Grifo hatte in den zwei Jahren unter Christian Streich ordentlich Aufsehen erregt. „Der Wechsel nach Freiburg war wie eine Explosion“, sagt er heute. In 64 Spielen für den Sportclub kam er auf 50 direkte Torbeteiligungen.
Straßenfußballer, Ausbildung zum Mechatroniker, Maloche bis um vier Uhr morgens. Der Wechsel zu einem größeren Verein erst im Alter von 18 Jahren. Die Geschichte von Vincenzo Grifo wurde oft genug und ausgiebig erzählt. Damals, als er beim SC Freiburg den Durchbruch schaffte. In den folgenden eineinhalb Jahren wurde hingegen nicht mehr viel Gutes über ihn berichtet – wenn überhaupt.
Als habe Grifo „einen Tag Urlaub gemacht“
Weder in der Saison 2017/2018 bei der Borussia, noch in der Hinrunde für Hoffenheim konnte er an die Leistungen in Freiburg anknüpfen, kam insgesamt auf 24 Bundesligaeinsätze in eineinhalb Jahren. Jetzt ist er per Leihe zurück im Breisgau, zurück dort wo es in der Bundesliga zum einzigen Mal für ihn lief – zurück beim „Wohlfühlverein“, wie er es nennt.
Anpassungsschwierigkeiten dürfte er in Freiburg keine haben. Allzu viel hat sich nicht getan in der verhältnismäßig kurzen Zeit. Viele Spieler des aktuellen Kaders kennt „Vince“ noch, auch im Trainerteam hat sich nichts getan. „Der Verein kennt mich, ich kenne den Verein“, sagte Grifo dem Pforzheimer Kurier aus seiner Heimatstadt. „Ich habe das Gefühl, ich war nie weg.“ Christian Streich, den er als „Vaterfigur“ bezeichnet, sagt, es fühle sich an, als habe Grifo nur „einen Tag Urlaub gemacht.“ Es sei „gut, dass er wieder da ist.“
Streichs verlorener Sohn ist zurück in Freiburg – und soll die Lücke füllen, die er einst selbst hinterließ.
Seit Grifos Abgang im Sommer 2017 hat Streich auf den Außenbahnen viel ausprobiert. Die Versuchsprotokolle dieser Experimente weisen allerdings wenig Erfolg aus. Auch in der Hinrunde setzte der Trainer sieben verschiedene Spieler als offensive Außen ein. Nach wie vor ist Grifo der letzte, der auf dem Freiburger Flügel überzeugen konnte.
Schon in seinem ersten Bundesliga-Halbjahr in Freiburg schlug er die meisten Flanken der Liga, spielte die meisten Schlüsselpässe. Freiburgs Fußball unter Streich kam ihm schon damals entgegen – und auch an dem hat sich nicht so viel verändert. Obwohl Streich schon vor Jahren erklärte: „Mir wolle de Ball habe“, setzt der Sportclub doch immer noch auf effizientes Umschaltspiel. Schnelle Gegenstöße, Pass auf die Außen, Flanke in den Strafraum.
Auf dem Flügel kommt Grifo dabei in die Eins-gegen-eins-Situationen, die er so liebt, und aus denen er oft genug mit einem Assist herausgeht. Ein konstanter Vorlagengeber fehlt dem SC diese Saison. Linksverteidiger Christian Günther hat vier mal aufgelegt. Zusammen mit Grifo dürfte die linke Freiburger Seite in der Rückrunde bei Kontern noch gefährlicher werden.
Dabei kann der Italiener, der im vergangenen November für die Nationalmannschaft debütierte, auch bei mehr eigenem Ballbesitz für die genialen Momente sorgen. Die hätte Freiburg zum Beispiel am 15. Spieltag in Düsseldorf gebrauchen können, als der SC trotz 63 Prozent Ballbesitz 0:2 unterlag.
Temporäre Dauerlösung auf Linksaußen
Zu guter Letzt bringt Grifo noch eine weitere Qualität mit, die dem Sportclub dieses Jahr bislang abgeht: Standardstärke. Letzte Saison erzielte Freiburg mehr als die Hälfte seiner Treffer nach Standards. Dieses Jahr sind es erst drei nach Freistößen und einer nach Ecke.
Die Chancen stehen gut, dass der bislang einzige Neuzugang am Schwarzwaldstadion zu einer Win-Win-Win-Situation für das Dreieck Freiburg-Grifo-Hoffenheim wird. Beim Sportclub ist Grifo auf Linksaußen als temporäre Dauerlösung eingeplant. Dauerlösung, weil seine Nachfolger beziehungsweise Vorgänger selten länger als ein paar Partien am Stück dort spielten. Temporär, weil die Wahrscheinlichkeit, dass er über die Rückrunde hinaus in Freiburg bleibt, verschwindend gering ist.
Eine Kaufoption ist im Leihvertrag nicht vereinbart, die TSG kündigte bereits an, dass er im Sommer in Hoffenheim zurückerwartet wird. Wenn Julian Nagelsmann das Kraichgau nach der Saison verlässt, werden die Karten dort neu gemischt. Dann dürfte auch Grifo wieder im Deck sein. Dieses Mal vermutlich nicht nur als Joker. An seinen fußballerischen Fähigkeiten zweifelt auch dort niemand. Freiburg und Streich werden ihren Sohn ein weiteres Mal verlieren. Das ist leider so.