Gegen Julio Cesár Falcioni würde wohl selbst Donald Duck wie ein strahlender Gewinner aussehen. Den Argentinier als einfachen Unglücksraben zu beschreiben, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Porträt des vielleicht größten Pechvogels der Fußballgeschichte.
Einmal, 1980 war das, eine Ewigkeit nicht nur in Fußballerjahren, da stand Julio Cesár Falcioni dem großen Diego Armando Maradona gegenüber. Der junge Torwart spielte mit seinem Club Vélez Sarsfield gegen Maradonas Argentinos Juniors, aber er spielte nicht nur, er gewann auch die Partie für sein Team. 1:0 stand es am Ende für Vélez, weil Falcioni gegen den „Goldjungen“ zwei Elfmeter gehalten hatte. „Aber das war ein Fußball-Unfall“, sagt er.
„Ein Fußball-Unfall“ – die Worte eines Mannes, dem der Sport mehr genommen als gegeben hat. Einer, der immer wieder hoffte – und immer wieder enttäuscht wurde. Bis heute ist Julio Cesár Falcioni der Spieler mit den meisten Einsätzen in der südamerikanischen Champions League, der Copa Libertadores. Und bis heute hat kein Anderer das Finale dieses prestigeträchtigsten Wettbewerbs so oft verloren wie er.
Seit fast 30 Jahren träumt er vergeblich von diesem einen Titel. Vier Mal war der Sieg zum Greifen nah, nur, um ihm dann doch wieder entrissen zu werden. Falcioni stand in vier Endspielen, am Ende feierten immer die Gegner. Zuletzt 2012, er als Trainer der Boca Juniors kaum mehr als eine tragische Randnotiz in der dritten Halbzeit der Fußballgeschichte einging. Dabei begann sein Scheitern als epischer Triumphzug, als er 1981 von Sarsfield zum kolumbianischen Klub América de Cali wechselte.
Er gilt bis heute als das größte Torwart-Talent Südamerikas
Innerhalb von fünf Jahren gewann seine Mannschaft fünf Mal hintereinander die kolumbianische Meisterschaft, er galt als das größte Torwart-Talent in der Geschichte Südamerikas, Spitzname „Die Katze“. Dann kam 1985, begannen die schwarzen Jahre, die Falcioni und América in ein Trauma stürzten, von dem sich der Verein bis heute nicht erholt hat. Die Jahre, in denen man drei Finalspiele hintereinander verlor. Noch immer sprechen sie von einem Fluch, wenn sie in Cali über diese Zeit reden.
1985: América spielte eine furiose Saison, wurde Meister, in der Copa Libertadores gelang dann quasi ein Durchmarsch bis ins Finale. Eine Niederlage und ein Sieg in gleicher Höhe gegen Argentinos Juniors – Maradona war da schon längst dem Ruf des Geldes erlegen und Richtung Europa entschwunden. Asunción, die Hauptstadt Paraguays, sollte die Entscheidung bringen, hier bis zur 120. Minute ein hochdramatisches 1:1, Elfmeterschießen.
Schließlich stand es 5:4 für die Argentinos, Falcioni war als nächster Schütze für América festgelegt, zog aber in letzter Sekunde zurück und überließ dem Kolumbianer Antony de Ávila den Schuss. Argentinos-Schlussmann Enrique Villadé parierte, die stolzen roten Teufel lagen am Boden – aber sie standen wieder auf.
1986 die nächste Landesmeisterschaft, wieder spielte man sich dem ganz großen Traum ein Stück näher, das Copa-Finale gegen River Plate aus Argentinien, ebenso titelhungrig wie América, 1966 und 1977 selbst schon in zwei Endspielen gescheitert. Schon in der ersten Partie in Cali schwebte ein Damoklesschwert über den Kolumbianern, River gewann 2:1, und ließ sich dann in der Entscheidungsschlacht den Pokal nicht mehr entreißen. Juan Funes stürzte mit seinem 1:0 América im Feindesland vor 74.300 Zuschauern erneut ins Unglück.
Kaum zu glauben, dass man auch in diesem Jahr noch die Energie hatte, zum insgesamt fünften Mal hintereinander kolumbianischer Meister zu werden. Noch unglaublicher war der erneute Einzug ins Finale der Copa Libertadores, diesmal gegen Atlético Peñarol aus Uruguay. Diesmal musste es klappen, aller guten Dinge sind schließlich auch in Südamerika drei. Im Hinspiel daheim feierte man ein umjubeltes 2:0 im Estadio Olímpico Pascual Guerrero. Doch dann brauchte es wieder ein Endspiel, die zweite Partie hatte Peñarol für sich entschieden.
Ein Endspiel wie im Fiebertraum
Was nun folgte, war an Dramatik kaum zu überbieten: Auf dem Weg nach Santiago de Chile, dem Weg zum lang ersehnten Titel, streikte das Flugzeug – die roten Teufel mussten die Nacht vor dem Match auf dem Fluhafen von Carrasco verbringen. Für Falcioni und sein Gegenüber Eduardo Pereira verlief die Partie wie ein Fiebertraum, beide hielten 120 Minuten ihre Kästen sauber.
Sekunden vor dem Abpfiff war América zum ersten Mal Champion, keinen hielt es mehr auf den Bänken, endlich war der kontinentale Titel in greifbarer Nähe! Dann dann kam Diego Aguirre und schoss das 1:0 für Peñarol. „Nach diesem Finale habe ich an Nichts mehr geglaubt“, erinnerte sich Falcioni später. „Ich hätte alles für diesen Titel gegeben!“
1990 verließ Falcioni América. Die Mannschaft brachte sechs Jahre später das Kunststück fertig, auch ihr viertes und bis heute letztes Finale in der Copa Libertadores gegen River Plate zu verlieren. Mittlerweile spielt der Club in der zweiten kolumbianischen Liga.
Falcioni wurde im Dezember 2012 von seinem Trainerjob bei Boca Juniors beurlaubt, nachdem er zuvor im Juli sein eigenes viertes Finale gegen Corinthians Sao Paulo verloren hatte. Vereinslegende Juan Román Riquelme hatte kurz nach dem Spiel seinen Rücktritt angekündigt. In der anschließenden Pressekonferenz verabschiedete sich Riquelme dann beim ewigen Pechvogel, Mit eher weniger charmanten Worten: „Falcioni konnte mir nichts mehr beibringen. Was sollte er mir denn auch beibringen? Wie man im Tor die Bälle hält?“