Boys Noize ist einer der angesagtesten DJs der Welt. Wie er als Jugendlicher die Spiele St. Paulis vom Baum verfolgte und was es mit dem Stani-Pulli auf sich hat, erklärt er im Interview.
Inwiefern?
Ich versuche, anders zu sein und nicht dem Mainstream zu folgen. Dieses Anti-Gefühl habe ich früh aus St. Pauli-Zeiten aufgesogen. Für mich hat die Arbeit als Musiker mehr Charme, wenn ich es mir selbst schwer mache, mich auf diese Art an neuen Dingen versuche. Ich werde dann oft gefragt, wieso ich es so kompliziert machen muss, aber nur so habe ich richtig Spaß bei der Arbeit. Den offensichtlichen Weg zu gehen oder das zu machen was angesagt ist, das kann ich nicht.
Was sehr nach dem Kerngedanken von St. Pauli klingt.
Der Ober-Begriff, der an dieser Stelle vielleicht angebracht ist, ist Punk. Das Problem ist, dass der Punk in letzter Zeit stark kommerzialisiert wurde – ähnlich wie St. Pauli. Auf der einen Seite freut man sich also, wenn der Club mehr Einnahmen durch Werbung oder Merchandise erzielt. Auf der anderen Seite sind da aber die Fans der älteren Generation, die sich gegen den Kommerz wehren. Das ist natürlich ein schmaler Grat, auf dem sich der Verein bewegt.
Ähnlich wie Sie.
Für mich ist es sehr wichtig, mich ab und an daran zu erinnern, wo ich herkomme und mit welcher Intuition ich Musik mache. Das bringt mich immer wieder in die richtige Bahn.
Sie begeistern Tausende von Menschen, stehen aber alleine an den Turntables. Eine Fußball-Mannschaft besteht aus vielen Spielern. Kommt da als Einzelspieler Neid auf?
Ich genieße das Bad in der Menge, freue mich aber auch, wenn ich mit einem Partner zusammen auf der Bühne stehe und wir uns gegenseitig die Pässe zuspielen. Außerdem habe ich ja immer eine Mannschaft im Hintergrund, die für mich arbeitet. Ohne die wäre das ganze Projekt „Boys Noize“ gar nicht möglich.
Fußball ist ein sehr schnelllebiges Geschäft. Kann man gewisse Parallelen zum Musikgeschäft ziehen?
Es ist unfassbar, wie das Internet die Welt verändert. Karrieren können von der einen auf die andere Sekunde losgehen und genauso schnell enden. Wenn du als Musiker fünf Jahre erfolgreich arbeitest, kannst du schon glücklich sein. Da ich schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel habe, fühle ich mich schon privilegiert. Ich mache Musik, weil es mein Hobby ist und ich es gut kann. Und nicht unbedingt, um den anderen zu gefallen. Von daher mag ich St. Pauli auch so gerne, weil die sich ihrer Linie immer treu bleiben – egal ob andere Vereine aufrüsten oder nicht. Sie halten an ihrer Ideologie fest und genau das tue ich auch.
Bekommen Sie beim Auflegen mit, wenn etwas richtig gut gelingt? Wie bei einem Tor?
Viele in der Branche drücken oft nur einen Knopf und wissen, dass das funktioniert. Mein Anspruch ist es, dieses Offensichtliche zu umgehen und die Leute durch Authentizität ins Boot zu holen. Das gelingt wirklich nur, wenn eine Verbindung zwischen mir und dem Publikum entsteht. Das sind die wirklich besonderen Momente.
Darin besteht Ihre Motivation?
Es gibt nichts Besseres als live mitzubekommen, dass meine Arbeit funktioniert. In diesen Momenten schieße ich – wenn man es so sagen will – ein Tor. Dafür bedarf es guter Anspiele meiner Crew, die ich dann verwerten muss.
Haben Sie beim Auflegen schon mal getrickst, also eine Schwalbe gemacht?
Ich finde es wichtig, auf der Bühne einen gewissen Freiraum zu haben. Es wäre langweilig, wenn ich immer dieselben Tracks in der gleichen Reihenfolge spiele. Deswegen ergibt diese Live-Performance nur Sinn, wenn man sich immer wieder neu erfindet und sich auf die unterschiedlichen Situationen einstellt. Ich würde Ihre Frage verneinen, weil ich das, was ich mache, auch als „real“ rüberbringen will.