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Niko Bun­gert, Sie sind 32 Jahre jung. Warum haben Sie ihre Kar­riere jetzt schon beendet? 

Nach der Saison 2017/18 habe ich kon­kreter dar­über nach­ge­dacht. Ich konnte wegen mus­ku­lärer Pro­bleme kein ein­ziges Spiel bestreiten und habe mich dann gefragt, ob es noch Sinn ergibt, wei­ter­zu­ma­chen. Kurz vor der abge­lau­fenen Saison hatte ich mich dann ent­schieden. 


Hätten Sie ihre Kar­riere nicht auch in einer anderen Liga, mit weniger Inten­sität, fort­setzen können? 

Ich habe mir zwei Fragen gestellt: Kann ich mir nach elf Jahren Mainz nochmal vor­stellen, für einen anderen Verein auf­zu­laufen? Und das dann in einer anderen Liga? Beide Fragen habe ich klar mit nein beant­wortet, weil ich mich zum einen nicht mehr in einem anderen Trikot vor­stellen konnte und auch, weil ich keine Fern­be­zie­hung zu meiner Familie wollte.

Seit 2008 spielen Sie für Mainz. Sie scheinen sich dort sehr wohl­zu­fühlen. 

Ich wurde super auf­ge­nommen. Der Verein, die Stadt, das passt ein­fach genau zu mir. Meine Kinder sind hier zur Welt gekommen. Ich habe sowohl sport­lich als auch privat super Momente erlebt, die mich für immer mit Mainz ver­binden werden.

Was ist denn das Beson­dere an Stadt und Verein? 

Das ganze Umfeld ist ein­zig­artig. Wenn man in der Stadt privat unter­wegs ist, sind alle sehr herz­lich. Der Verein ist sowieso sehr ruhig und fami­liär geführt, mit Chris­tian Heidel und Harald Strutz hatte man zum Zeit­punkt meiner Ver­pflich­tung ein har­mo­ni­sches und ein­ge­spieltes Team. Das hat mich damals auch davon über­zeugt, hier her zu kommen.

In einem Inter­view mit der FAZ haben sie mal gesagt, dass sie früher nicht daran glaubten, Profi zu werden.

Ich bin im Ruhr­pott auf­ge­wachsen und da gab es auf engem Raum viele starke Nach­wuchs­zen­tren. Ich habe mit 17 Jahren noch bei Wat­ten­scheid 09 gespielt. Nor­bert Elgert hat mich nach Schalke geholt, dort durfte ich dann mit den Profis trai­nieren. Ich wurde U‑Nationalspieler und dachte mir ganz plötz­lich, dass das Pro­fi­ge­schäft viel­leicht doch nicht mehr so weit ent­fernt sei.

Über Offen­bach ging es dann nach Mainz.

Das Image des Ver­eins war als Kar­ne­vals- und Sym­pa­thie­verein sehr positiv. Zudem waren sie noch ein ambi­tio­nierter Zweit­li­gist.

Wurde Ihnen ver­spro­chen, dass Sie in Ihrer ersten Saison zum Stamm­spieler werden würden?
Im Gegen­teil. Bei den Gesprä­chen sagte man mir, dass ich mich hinter Nikolce Noveski und Neven Subotic anstellen muss. Neven ging dann kurz nach meiner Unter­schrift mit Jürgen Klopp nach Dort­mund, es blieben nur noch Nikolce und ich als Innen­ver­tei­diger übrig. Bo Svensson war ver­letzt. 

Und gleich im ersten Jahr kamen Sie auf 32 Startelf-Ein­sätze und stiegen in die Bun­des­liga auf. 

Zudem kamen wir als Zweit­li­gist noch ins DFB-Pokal-Halb­fi­nale, es war unglaub­lich. Des­wegen hatten wir auch eine ent­spre­chend aus­gie­bige Abschluss­feier.

Wie aus­giebig?
Ich muss ehr­lich zugeben, mich hat es an dem Tag ganz schön weg­ge­he­hauen. Es waren über 35 Grad und ich stand 90 Minuten in der prallen Sonne. Mit Abpfiff floss der Alkohol. Ich war noch relativ jung und uner­fahren, des­wegen musste ich mich leider schnell ver­ab­schieden.

Lange mussten Sie aber nicht auf die nächste Feier warten. In der Saison 2010/ 2011 gelangen sieben Siege zu Sai­son­be­ginn.
Dazu kommt, dass die Spiele total ver­rückt waren. Wir haben ein 0:3 in Wolfs­burg gedreht und gewannen am Ende 4:3. Wir hatten einen starken Willen, viel Power und das nötige Glück. Wir alle haben damals gedacht: Uns kann im Moment ein­fach nichts auf­halten.

Diese Ein­stel­lung nahmen Sie auch mit zum Spiel gegen die Bayern.
Es war ein außer­ge­wöhn­li­ches Spiel. Wir sind erst mor­gens ange­reist und haben uns eine Stunde im Hotel hin­ge­legt. Auf dem Weg in die Allianz Arena standen wir in einem Stau, sodass wir erst eine halbe Stunde vor Anpfiff dort ankamen. Wir sind dann ohne uns richtig auf­zu­wärmen auf­ge­laufen, haben 2:1 gewonnen und sind wieder heim­ge­fahren. 

Es war auch die Zeit der Bruchweg-Boys. War Ihnen der Hype um das Trio nicht zu groß?
Über­haupt nicht. Bei sol­chen Erfolgs­ge­schichten gibt es immer ein­zelne Helden, die von den Medien her­vor­ge­hoben werden. Das Wich­tige war, dass jeder die Erfolge richtig ein­ordnen konnte, und das war bei Adam Szalai, Lewis Holtby und Andre Schürrle der Fall.

Wollten sich die Drei nicht auf ein Quar­tett ein­lassen? Bei­spiels­weise mit Niko Bun­gert am Saxofon?
Nein, man muss der Typ dafür sein. Es gibt Jungs, die ruhiger sind und den Erfolg im Hin­ter­grund genießen. Die Drei waren Ram­pen­säue, das war auch gut so. Ver­schie­dene Cha­rak­tere gehören dazu, dass man zusammen Erfolg und Spaß hat. 

Die Bruchweg-Boys fielen aus­ein­ander, es ging in der Europa-League-Qua­li­fi­ka­tion gegen Gaz Metan Medias. Bekommen Sie heute noch Gän­se­haut, wenn Sie den Namen der Mann­schaft hören?
Ich hatte wirk­lich elf durchweg erfolg­reiche Jahre, aber die zwei Spiele gehörten zu den Tief­punkten. Man darf die Geschichte dahinter nicht ver­gessen: Die Spiele sind unfassbar unan­ge­nehm, weil es Pflicht­spiele mitten in der Vor­be­rei­tung sind.

Die Mann­schaft schei­terte im Elf­me­ter­schießen, die Fans waren ziem­lich sauer.
Den Frust der Fans kann man nach­voll­ziehen. Sie haben unglaub­lich viel Mühe, Kosten und Auf­wand auf sich genommen um dahin zu fahren und uns in die nächste Runde zu bringen. Aber das Ver­hältnis zwi­schen Fans und Spieler war bei uns immer von Ver­trauen und gegen­sei­tigem Ver­ständnis geprägt. Die Wege zuein­ander waren kurz und keiner der beiden Seiten war über die Jahre hinweg nach­tra­gend. 

Und das obwohl Sie drei Jahre später wieder in der Europa-League-Qua­li­fi­ka­tion schei­terten.
Es war wieder sehr unglück­lich. Am Ende ver­loren wir durch eine abge­rutschte Flanke von Pablo de Blasis, der kurz danach zu uns wech­selte. Wir hätten ihn aber auch gerne geholt, wenn er dieses Tor nicht geschossen hätte. 

Als er in Mainz ankam, gab es dann den ein oder anderen Spruch?
Er wurde herz­lich emp­fangen, auch weil er von Anfang an eine anste­ckend posi­tive Art hatte. Aber wir waren in einer schlechten Posi­tion um Sprüche zu klopfen, die kamen dann eher von ihm.

Letzt­end­lich konnten Sie sich aber dann doch mit der Europa League ver­söhnen. 
Die direkte Qua­li­fi­ka­tion im Sommer 2016 war umso schöner. Für mich per­sön­lich war es nach zwei geschei­terten Anläufen eine große Genug­tuung. Das erste Tor in einer Grup­pen­phase für Mainz 05 zu schießen, hat sich sur­real ange­fühlt. Wir haben uns wacker geschlagen, auch wenn es am Ende nicht für die nächste Runde gereicht hat. 

Seit 2015 sind Sie Kapitän der Mann­schaft, in den letzten drei Jahren gehörten Sie nicht mehr zur Stammelf. 
Als ehr­gei­ziger Fuß­baller will ich immer spielen. Ganz unab­hängig von meinem Amt als Kapitän. Aber ich habe den­noch viel Ver­ant­wor­tung neben dem Platz gehabt, auch wenn es auf dem Platz andere über­nehmen mussten. 

Welche Auf­gaben hatten Sie?
Ich wollte den Spie­lern die Phi­lo­so­phie und die Art und Weise des Klubs ver­mit­teln. Die Spieler in Mainz sind boden­ständig, men­schennah und sie suchen den Kon­takt zu den Leuten. Sei es zu den Fans, Mit­ar­beiten oder dem Staff. Ein respekt­voller Umgang ist Pflicht. Die Werte waren nicht alle von ihren vor­he­rigen Ver­einen gewohnt. 

Zum Bei­spiel Para­dies­vögel wie Aris­tide Bancé? 
Wenn wir 23 Niko Bun­gerts im Kader hätten, dann würde es nicht funk­tio­nieren. Fuß­bal­le­ri­sches Können ist wichtig, aber cha­rak­ter­lich brauchst du unter­schied­liche Men­schen. Cha­rak­tere, die laut und auf­ge­dreht sind, gehören dazu. Manchmal muss man die bremsen, aber manchmal muss man sie auch ein­fach machen lassen. Das ist wichtig für die Stim­mung in einer funk­tio­nie­renden Mann­schaft. 

Sie sind ein Innen­ver­tei­diger, der nicht über die Robust­heit kommt. Welche Stürmer waren für Sie am unan­ge­nehmsten?
Stürmer, die sich nicht zu schade sind, sich richtig rein­zu­hauen. Mario Man­dzukic hat gegen uns ein­zige Spitze gespielt. Er hat sich in unsere Vie­rer­kette rein­ge­kratzt, er ist hart in die Zwei­kämpfe gegangen und hat sich für die Mann­schaft auf­ge­op­fert. Robert Lewan­dowski ist ein Stürmer, der in allen Berei­chen auf einem hohen Niveau agiert. Es gibt nur eine Hand­voll Stürmer, die so so kom­plett sind wie er. 

Am letzten Spieltag haben Sie dann einen Scor­pion-Kick gezeigt. Das hätte man so wohl eher nicht von Ihnen erwartet. 
Ich war wohl am meisten von mir selbst über­rascht. In 14 Jahren Pro­fi­fuß­ball habe ich so etwas weder im Trai­ning noch im Spiel gezeigt. In der letzten Minute meiner Kar­riere so ein Tor zu schießen, wäre aber viel­leicht auch des Guten zu viel gewesen. 

Das war eine der letzten Szenen ihrer aktiven Lauf­bahn. 
Ich hatte die Befürch­tung, dass es der trau­rigste Tag meiner Kar­riere werden würde. Aber nochmal so ein Fuß­ball­fest in Mainz erleben zu dürfen, war über­wäl­ti­gend. Ich habe eine unglaub­liche Wert­schät­zung genossen, das werde ich nicht ver­gessen. 

Sie bleiben dem Verein ja erhalten. 
Im August werde ich den Trai­ner­schein machen, ehe ich bei Mainz 05 ein Trainee-Pro­gramm anfangen werde. Rouven Schröder hat das nach seiner aktiven Kar­riere beim VfL Bochum ähn­lich gemacht. Er hat sich sehr dafür ein­ge­setzt, dass ich diese Erfah­rung auch machen darf. 

Dafür haben sie neben ihrer aktiven Kar­riere auch Fuß­ball­ma­nage­ment stu­diert. 
Ich habe etwas Abwechs­lung gesucht. Wir sind viel unter­wegs, sind in Hotels und fahren im Bus. Ich wollte die Zeit nicht mit Serien oder Filmen über­brü­cken, son­dern eine Her­aus­for­de­rung suchen. Am wich­tigsten war mir aber, dass es sich nicht auf meine sport­liche Leis­tungs­fä­hig­keit aus­wirkt.

Sie sind also nicht der Play­Sta­tion-Typ?
Ich würde nicht sagen, dass man das nicht auch noch irgendwie unter­be­kommt. Aber mit meinen zwei Kin­dern ist die Zeit an der Play­Sta­tion weniger geworden. Mein Sohn kommt aber jetzt in ein Alter, in dem er mich auch mal her­aus­for­dern wird. 

Ihr Sohn spielt bei den Bam­binis in Mainz-Fin­then – wird der nächste Bun­gert in etwa zehn Jahren für die Profis auf­laufen? 
Ob der Weg so weit geht, das weiß man nicht. Er hat Spaß an der Sache, das ist das Wich­tigste