James Tavernier von den Glasgow Rangers schießt mehr Tore als Mo Salah, trifft häufiger aus dem Spiel heraus als CR7 und gibt mehr Assists als Kevin De Bruyne. Und, ach ja, James Tavernier ist Außenverteidiger. Wie macht er das bloß?
„Ich habe mit etlichen fantastischen Rechtsverteidigern zusammengespielt“, erinnert sich Rangers-Coach Steven Gerrard (40): „Kyle Walker, Glen Johnson, Steve Finnan, um nur einige zu nennen. Tav gehört ebenfalls in diese Kategorie.“ Tav, das ist James Tavernier, Kapitän und alles überragender Mann im Team des (vermutlich) kommenden schottischen Meisters. Wettbewerbsübergreifend hat der 29-jährige Engländer in der laufenden Saison 16 Tore und zwölf Assists für die Glasgow Rangers markiert. Mit zehn Treffern und sieben Vorlagen in 16 Liga-Spielen ist Tavernier aktuell erfolgreichster Torschütze sowie Top-Vorbereiter der Scottish Premiership. Als Außenverteidiger, wohlgemerkt.
Dabei ist es nicht so, dass der Mann mit der Nummer 2 vorne ein Feuerwerk zelebriert und hinten den eigenen Sechzehner brennen lässt. „Das Schöne für mich ist, dass Tav an beiden Enden des Spielfelds seinen Job erledigt“, lobt Gerrard. „Er ist ein zweikampfstarker Verteidiger, spielt aggressiv und verhindert Flanken.“ Wenn es also stimmt, dass die Offensive Spiele gewinnt, die Defensive aber Meisterschaften entscheidet, sind Tavernier und die Rangers auf einem äußerst vielversprechenden Weg: In bislang 16 Liga-Partien kassierte der Rekordmeister nur drei Gegentreffer, behielt 14-mal eine blütenweiße Weste. „Diese Zu-Null-Bilanz ist für mich genauso wichtig wie die anderen Statistiken von Tav“, betont Gerrard und empfiehlt: „Er sollte seine derzeitige Form in Flaschen abfüllen und so lange wie möglich konservieren.“ Zuletzt, beim 4:0‑Auswärtssieg über Ross County, hielt Tavernier erneut seine Seite blitzsauber, traf einmal selbst und bereitete zwei Tore vor.
Auch wenn sich dieser Vergleich eigentlich verbietet: James Tavernier erinnert an einen gewissen Henrik Larsson. Der mittlerweile 49-jährige Schwede ist für Celtic-Fans bis heute der „King of Kings“. Mit den Grün-Weißen gewann Larsson vier Meistertitel und zweimal den Pokal, wurde obendrein fünfmal Torschützenkönig in Schottland. Vor allem aber verhinderte der Mittelstürmer die größtmögliche Schmach für den Katholiken-Klub: Als Larsson im Sommer 1997 von Feyenoord Rotterdam zu den Grün-Weißen wechselte, peilte der verhasste Lokalrivale Glasgow Rangers gerade seinen zehnten Meistertitel in Serie an – eine magische Marke, die bis heute kein Klub in Schottland je erreicht hat. Nicht zuletzt dank Larsson, der Celtic zum Einstand mit 16 Saisontreffern zum Titel schoss und die Ära der Rangers beendete.
2020/21 sind die Vorzeichen umgekehrt: Celtic gewann die letzten neun Meistertitel, während sich die Rangers mühsam von ihrem Finanzskandal und dem 2012 erlittenen Zwangsabstieg in die 4. Liga berappelten. Auch im vergangenen Sommer sprach wenig dafür, dass die grün-weiße Vorherrschaft zeitnah enden würde – zumal die Anhänger der „Gers“ vergeblich auf die ganz großen Transfers gewartet hatten. Was sie nicht wussten: Ihr Heilsbringer war längst da. James Tavernier, ausgebildet im Nachwuchs von Leeds und Newcastle, kam bereits 2015 zu den Rangers und hatte sogleich maßgeblichen Anteil am Wiederaufstieg in die Erstklassigkeit (2016). „Tav“ ist seither einer der verlässlichsten im Team. 22 Treffer und 37 Vorlagen in den vergangenen vier Erstliga-Spielzeiten sind ein klarer Beleg. Aber – ein ganzes Team tragen? Zum Meistertitel?