Die nationalen Ligen veröden, in der Champions League gewinnen stets die gleichen Klubs. Der moderne Fußball richtete sich schon vor der Corona-Krise selbst zugrunde. Aber was kommt danach?
Und immer weiter mit den erschreckenden Zahlen: In der Bundesliga lassen der Rekordmeister und Borussia Dortmund die Siege und Rekorde purzeln. 2011/12 holte ein deutscher Meister, damals der BVB, zum ersten Mal in der Bundesligageschichte mehr als 80 Punkte in einer Saison. Schon ein Jahr später fiel die 90-Punkte-Grenze durch die Bayern. Die Münchner haben in der Bundesliga außerdem das Verlieren verlernt: In den drei Jahren der Ära Guardiola verloren sie nur vier Bundesligaspiele zu einem Zeitpunkt der Saison, an dem sie nicht schon als Meister feststanden. So dominant waren nicht einmal Beckenbauer, Müller, Breitner und Hoeneß zu Beginn der siebziger Jahre.
Gibt es also zwei Lager, hier die Großkopferten aus München und Dortmund, dort das Lumpenproletariat? Nein, das Problem ist systemisch. Von Chancengleichheit redet in der Bundesliga ohnehin niemand mehr. „Zehn Millionen Euro Gehaltsunterschied kann man mit guter Arbeit wettmachen, aber ein internationaler Startplatz ist für uns nicht planbar“, sagt Kölns Manager Jörg Schmadtke nüchtern. Was auch daran liegt, dass die Möglichkeiten, auf dem Transfermarkt zu agieren, in der Liga himmelweit auseinanderklaffen.
Zahlen interessieren nicht
Der FC Bayern hat im Laufe der letzten fünf Jahre 166 Millionen Euro mehr für Transfers ausgeben können, als er eingenommen hat, Aufsteiger RB Leipzig immerhin über 100 Millionen Euro. Der 1. FC Köln hingegen hat über 17 Millionen Euro mehr eingenommen als ausgegeben, und der SC Freiburg finanziert seinen Betrieb inzwischen sogar zum Teil durch Transfererlöse. Auch dank seiner guten Jugendarbeit hat der Sportclub in den letzten fünf Jahren einen Transferüberschuss von fast 25 Millionen Euro erwirtschaftet.
So eindrücklich die Zahlen sind, im öffentlichen Diskurs spielen sie kaum eine Rolle. Was auch an uns Zuschauern liegt, die wir uns allenfalls mäßig für den ganzen deprimierenden Zahlenkram interessieren. Wir wollen keine Manager, die über Gehaltsunterschiede jammern, sondern Mannschaften, die sich erfolgreich gegen die Ungleichheiten auflehnen. So wie Leicester City, das in der letzten Saison englischer Meister wurde, obwohl nur drei Klubs in der Premier League einen noch niedrigeren Personaletat hatten. Auch in Deutschland wurde solch ein Märchen schon mal wahr: Borussia Dortmund holte 2011 die Meisterschaft mit den damals nur zehnthöchsten Gehaltskosten der Bundesliga. Und landete Darmstadt 98 nicht letzte Saison vor Klubs, die mehr als doppelt so viel Geld zur Verfügung hatten?
Es bleibt bei Ausnahmen
Das stimmt alles, und sicher wird auch diese Saison wieder Ausnahmen produzieren. Vielleicht bricht die Berliner Hertha diesmal nach der Winterpause nicht ein, oder vielleicht übertreffen gerade die Kölner die kühnsten Träume ihres Managers. Fatal ist nur: Es würden Ausnahmen bleiben. Die Unterschiede sind inzwischen längst so gewaltig, dass in der Bundesliga ein anderer Meister als die Bayern nicht mehr ernsthaft vorstellbar ist. In den fünf großen Ligen in Europa gibt es nur einen Klub, der einen noch größeren wirtschaftlichen Vorsprung auf den Zweiten hat. Haben die Münchner gut 80 Prozent fürs Personal mehr zur Verfügung als die Dortmunder, sind es bei Paris Saint-Germain in Frankreich sogar 130 Prozent.
Diese Zahlen bedeuten: Wenn alle Dortmunder Spieler bezahlt sind, können sich die Bayern zusätzlich noch die Gehälter von Lewandowski, Neuer, Müller, Lahm, Ribéry und Robben leisten – und obendrauf noch das von Mats Hummels. Ein ähnliches Spiel gibt es weiter unten in der Nahrungskette: Neuling Leipzig lobt sich für eine selbst auferlegte Gehaltsobergrenze. Kein Spieler von RB verdient mehr als drei Millionen Euro Grundgehalt. Aber es gibt sowieso nur ein halbes Dutzend Erstligisten, die diese Schallmauer durchbrechen. Die Gehaltsgrenze in Ingolstadt etwa liegt bei 600 000 Euro, einem Fünftel davon. Manchmal kann man einen Spieler durch besonderen Teamspirit, einen herausragenden Trainer, gewachsenes Vertrauen oder Lebensqualität zum Bleiben bewegen. Aber die wirtschaftlichen Unterschiede nach oben sind für Klubs wie den SC Freiburg schlicht zu groß, um Profis halten zu können. Schöne Sache, als Kicker im beschaulichen Breisgau eine halbe Million zu verdienen, aber selbst mittelgroße Bundesligisten können eben das Dreifache bieten.
Geld schießt Tore
Das ist, was hinter dem Satz „Geld schießt Tore“ steht. Es geht ganz banal um bessere Spieler und inzwischen auch um die besseren Mitarbeiter. Gerade entsteht ein Transfermarkt für Trainer, auf dem Ablösesummen gezahlt werden. Schalkes neuer Manager Christian Heidel kaufte dem FC Augsburg Trainer Weinzierl weg, der sich dann bei Darmstadt 98 bediente. Der Wechsel des Kaderplaners Michael Reschke von Leverkusen zu den Bayern vor zwei Jahren ist wichtiger gewesen als mancher Transfer vermeintlicher Superstars. Unter diesen Umständen stellt Freiburgs Manager Jochen Saier fest: „Jedes Jahr, das wir in der Bundesliga spielen, ist ein Wunder.“