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Harry Kane macht keine Faxen. 39 Pre­mier-League-Tore hat der Tot­tenham-Star im Jahr 2017 erzielt, damit den 22 Jahre alten Rekord Alan Shea­rers gebro­chen. Das Muster ist dabei stets das gleiche: Ledig­lich für fünf dieser Treffer benö­tigte Kane mehr als zwei Ball­be­rüh­rungen, am liebsten trifft er direkt oder unmit­telbar nach Ball­an­nahme.

Am Wochen­ende kam es zum North London Derby im legen­dären Wem­bley und Kane lie­ferte einmal mehr den Beweis par excel­lence. Vier dicke Chancen erar­bei­tete er sich im Ver­lauf der 90 Minuten. Viermal ver­suchte er sein Glück per Direkt­ab­nahme. Das einzig Unty­pi­sche am Sams­tag­mittag: Nur einmal war Kane erfolg­reich. Es sollte den­noch rei­chen, die Spurs gewannen dank des Tores ihrer Nummer Zehn das Pres­ti­ge­duell.

Europas Bester

Kein Wunder, dass der Mann, der einst als One-Season-Wonder“ ver­schrien war, längst auf der Ein­kaufs­liste der ganz großen Klubs des Welt­fuß­balls an vor­derster Stelle steht. Real Madrid soll neu­er­dings dar­über nach­denken, mit einer Rekord­ab­lö­se­summe in Neymar’schen Dimen­sionen den Stürmer aus London los­zu­eisen. Tot­tenham-Boss Daniel Levy zeigte sich wenig ver­hand­lungs­willig.

Das Inter­na­tional Centre for Sports Stu­dies“ bezif­ferte Kanes Markt­wert Anfang des Jahres auf knapp 200 Mil­lionen Euro und kürte ihn zum dritt­wert­vollsten Fuß­ball­spieler der Welt. Knapp hinter Lionel Messi, weit vor Cris­tiano Ronaldo – die beiden Spieler, die in den ver­gan­genen Jahren als die besten Stürmer der Welt galten und denen Kane zuneh­mend den Rang abzu­laufen scheint. Sogar 56 Tore erzielte er im ver­gan­genen Jahr, wenn man die Aus­beute aller Wett­be­werbe zusam­men­rechnet – unan­ge­foch­tene Spitze in Europa. In den sieben Jahren zuvor war stets ent­weder Messi oder Ronaldo an dieser Posi­tion gewesen.

Keine Traum­tore und schwer­fäl­lige Ball­be­hand­lung

Den­noch hält sich der Trubel um Harry Kane noch immer in Grenzen. Klar, der fast schüch­tern wir­kende Junge aus Walt­hamstow im Nord­osten Lon­dons, der in Inter­views seine Lippen nie so ganz aus­ein­ander zu bekommen scheint, ist längst kein Geheim­tipp mehr, son­dern eine der Größen der Pre­mier League. Aber ein Ereignis wie manch anderes Jahr­hun­dert­ta­lent ist er ebenso nicht.

Das mag zum einen an seinem Spiel­stil liegen. Wo Lionel Messi und Cris­tiano Ronaldo quasi die Garantie auf Spek­takel, Tricks und Zau­ber­tore bieten, ist Harry Kanes Spiel­weise nur bedingt ansehn­lich. Er schießt selten Traum­tore und wirkt mit seiner schlack­sigen Figur manchmal fast schwer­fällig in der Ball­be­hand­lung. Und doch trifft der­zeit nie­mand wie er.

Der ehe­ma­lige Tot­tenham-Trainer David Pleat hat Kane einmal einen alt­mo­di­schen Mit­tel­stürmer“ genannt. Aber das ist nur die halbe Wahr­heit. Richtig ist: Kane fällt auf dem Platz oft nicht beson­ders auf. Erst der Moment des Tor­ab­schlusses ist seine Situa­tion. Kane hat eine exzel­lente Schuss­technik und einen über­ra­genden Zug zum Tor. Des­halb sind seine Treffer nicht immer die aller­schönsten: Weil er keine Sekunde zögert, den Tor­ab­schluss zu suchen. Nicht, weil er nicht anders könnte.

Zugleich steht Kane aber nicht nur vorne drin und wartet auf die Bälle. Viel­leicht ebenso wichtig wie seine Tore ist für seine Mit­spieler das Defen­siv­spiel des Stür­mers, der mit großer Aus­dauer und läu­fe­ri­schem Auf­wand die geg­ne­ri­schen Abwehr­reihen unter Druck setzt. Rich­tiger ist also, was Sami Khe­dira vor dem Ach­tel­fi­nale der Spurs gegen Juventus Turin der BBC“ sagte: Er ist für mich der kom­plet­teste Stürmer – kopf­ball- und schuss­stark, schnell und er kann mit nur einem Ball­kon­takt treffen“.

Die Anti-Diva

Zum anderen ist das wenige Auf­sehen um Kane sicher­lich auch auf seinen gegen­über manch anderem Jung­profi sehr ruhig und bescheiden daher­kom­menden Lebens­wandel zurück­zu­führen. Kane ist gera­dezu ein Mus­ter­schüler, die Anti-Diva, wenn man so will. Eng­lands Natio­nal­coach Gareth South­gate sagte über seinen Schütz­ling: Er ist das Vor­bild, das man sich wünscht.“

Zwar gilt Kane als legi­timer Nach­folger Wayne Roo­neys im Trikot der Three Lions, ver­gli­chen wird er aber eher mit Teddy She­ringham und Alan Shearer, den Stars der späten 90er. Er ist unweit der White Hart Lane auf­ge­wachsen, spielt für den Her­zens­verein seiner Jugend und ist mit seiner Jugend­freundin liiert – soweit die Gemein­sam­keiten mit Rooney. Im Gegen­satz zu diesem geht Kane bisher aller­dings ohne per­ma­nente Skan­däl­chen durch seine Kar­riere – und die sind auch kaum von ihm zu erwarten. Kane spielt in der Frei­zeit lei­den­schaft­lich Golf und ist mit seinem Trainer privat befreundet. Er trinkt nicht und hat einen Ernäh­rungs­be­rater und Koch enga­giert. Seine Hunde heißen Wilson und Brady – nach den NFL-Größen Rus­sell Wilson und Tom Brady.

Das Beste, was mir je pas­siert ist

Tom Brady wurde 2000 erst an 199. Stelle des Drafts der Jugend­spieler aus­ge­wählt und von den New Eng­land Patriots ver­pflichtet. Heute gilt er als einer der besten Quar­ter­backs aller Zeiten. Für Harry Kane war diese Geschichte gera­dezu weg­wei­send, hat er vor wenigen Tagen dem Magazin The Players’ Tri­bune“ ver­raten. Auch seine Kar­riere ver­lief nicht immer grad­linig. Als Kind wurde er bei Arsenal und Wat­ford aus­sor­tiert, ehe er mit elf Jahren bei den Spurs unterkam. Auch als ange­hender Profi-Kicker sah es zwi­schen­zeit­lich noch einmal finster aus. Gleich viermal wurde er an unter­klas­sige Teams ver­liehen, bevor er sich bei seinem Stamm­verein durch­setzen konnte. Doch Kanes Aus­dauer und Dis­zi­plin sollten sich lohnen.

Der frü­here Chef von Arse­nals Jugend­aka­demie ver­kün­dete unlängst, man habe den jungen Kane einst aus­sor­tiert, weil er ein­fach zu pum­melig“ war und man ihm keine her­aus­ra­gende sport­liche Kar­riere zutraute. Arsène Wenger sagte, er wusste nicht, ob er lachen oder sich ärgern solle, als er von dieser unglück­li­chen Anek­dote erfahren habe. Harry Kane selbst hin­gegen meint, die Aus­boo­tung bei Arsenal habe ihn zur Höchst­leis­tung ange­spornt: Es ist wahr­schein­lich das Beste, was mir je pas­siert ist“.