Vor 20 Jahren gewann Galatasaray als erster türkischer Verein den UEFA-Pokal. Es war nicht zuletzt der Erfolg des gestrengen Fatih Terim, der einen Haufen Individualisten zum Kollektiv drillte.
Den Weg zum Erfolg ebnete derweil die taktische Flexibilität des Teams, in dem jeder Akteur blitzschnell vom vorsichtigen Defensivspiel auf gefährliche Offensivaktionen umschalten konnte. Der zweite Vorteil war die Zusammensetzung der Elf: teils erfahren und abgebrüht, teils jung und erfolgshungrig. Gemein war allen Spielern, dass sie gierig darauf waren, sich zu beweisen – weil es entweder ihre erste oder ihre letzte Chance auf internationalem Parkett war. Eingeschworen auf martialische Schlagworte wie Ehre und Nationalstolz, ließ die Mannschaft ihre Nichttürken dennoch nicht außen vor.
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Die Gelb-Roten schwangen sich auf der Welle der Euphorie, die sich im Land ausbreitete, zu Höchstleistungen auf: Neben dem UEFA-Cup und der vierten Meisterschaft in Folge gewann Galatasaray 2000 auch noch den türkischen Pokal und den europäischen Super-Cup gegen Real Madrid. Eine Leistung, die der Rumäne Popescu unter Tränen als „historischen Moment für die gesamte Türkei“ bezeichnete.
Vor dem Brasilianer Taffarel im Tor, dem Weltmeister von 1994, vertraute Terim auf eine Viererkette: wahlweise der Brasilianer Capone oder Ümit Davala, daneben Bülent Korkmaz, der beidfüßige Hakan Ünsal und der WM-erprobte Popescu. Das Mittelfeld sicherten Ergün Penbe, Tugay Kerimoglu, und Okan Buruk.
Dreh- und Angelpunkt der Istanbuler war jedoch ihr alternder Star: Gheorghe Hagi, der ebenso exzentrische wie brillante Regisseur der rumänischen Nationalmannschaft. In Barcelona oft wegen disziplinarischer Vergehen suspendiert und in zwei Jahren mit gerade mal 21 Einsätzen, erlebte Hagi in der Türkei eine regelrechte Leistungsexplosion. Die Mannschaftskollegen tolerierten die Eigenheiten ihres Spielmachers, für die Fans war er eine Ikone. Im Sturm setzte Terim auf den lauf- und zweikampfstarken Arif Erdem, der sich die Bälle auch gern mal im Mittelfeld vom Gegner zurückholte, und auf den vielleicht gefährlichsten türkischen Stürmer überhaupt, Hakan Sükür, der innerhalb des Sechzehners aus nahezu jeder Position gefährlich abschließen konnte.
Der Imperator im Berliner Olympiastadion. Galatasaray qualifizierte sich als Dritter der Champions-League-Gruppenphase für den Uefa-Cup.
Die Mannschaft brach am Ende der Saison weitgehend auseinander – ein Großteil empfahl sich bei der EM 2000 und nutzte die Bühne, um ins Ausland zu wechseln, so Sükür zu Inter oder Tugay Kerimoglu zu den Glasgow Rangers. Capone verließ den Klub im Streit um ausstehende Gehälter. Auch Terim ging nach Italien, obwohl sogar im türkischen Parlament sein Bleiben erfleht worden war. Dass dieses Team seinen Zenit erreicht hatte, war ihm vermutlich bereits klar, als Popescu den letzten Elfmeter verwandelte. Während Spieler und Betreuer das Feld stürmten, blieb Terim allein. Er ballte für einen Moment die Fäuste, bevor er in die Knie sank und sein Gesicht in den Händen vergrub. Der Druck, unter dem er und seine Mannschaft in den vergangenen Wochen gestanden hatten, entlud sich in einer einzigen Geste.