Eine der bit­tersten Ent­täu­schungen meiner Kind­heit war der Wechsel von Andi Möller zu Juventus Turin. Als knapp acht­jäh­riger Ein­tracht-Fan war Möller just an der Schwelle, mein per­sön­li­cher Held zu werden, gleich­be­deu­tend mit He-Man, dem Ulti­mate War­rior oder Donald Duck. An den Wochen­enden raste Möller durch die Mit­tel­felder der Sport­schau, vor der ich gebannt saß, und manchmal war er dabei so schnell, dass ihm das schwarz-rot gestreifte Trikot wie eine Fahne über den Platz folgte. Als führe er eine Armee aus Geschwin­dig­keit und Spiel­kultur an, die gleich den Straf­raum des Geg­ners ein­nehmen würde. Viel­leicht, dachte ich, ist Möller sogar besser als He-Man. Den gab es schließ­lich gar nicht, soweit ich wusste.

Aber dann wech­selte Möller, und das, obwohl er wenige Tage zuvor gesagt hatte, es sei ihm eine mora­li­sche Ver­pflich­tung, für Frank­furt zu spielen.“ Nun wusste ich als Sie­ben­jäh­riger nicht viel über Moral, viel­leicht bis heute zu wenig, aber das Möller ging, schmerzte. Als ich meinem Onkel, der mich zur Ein­tracht gebracht hatte, mein Leid klagte, und ihm von dem Möller-Trikot erzählte, das ich mir so gern zu Weih­nachten gewünscht hätte, blickte er mich weise an, wuschelte mir onkelnd durchs Haar und sagte Junge, das macht nichts. Spieler kommen und gehen, nur ein paar ganz wenige bleiben für immer und das sind dann die Beson­deren. Es kann nicht jeder ein Charly Körbel sein.“

Über Charly Körbel wusste ich damals fast genauso wenig wie über Moral. Aber natür­lich schlug ich ihn in meinem Bun­des­liga-Buch nach. 602 Bun­des­li­ga­spiele, alle für die Ein­tracht. UEFA-Cup-Sieger, DFB-Pokal­sieger. Ich staunte. Körbel war ja viel besser als Möller. Wenn auch nicht so schnell, wahr­schein­lich.