Nach Insolvenz und Neugründung landete der AFC Newport County 1989 in der neunten walisischen Liga. Am Samstag kämpft die Mannschaft gegen Manchester City um den Einzug ins FA-Cup-Viertelfinale. Die Geschichte einer sensationellen Pokalsaison.
Die Menschen in der Hafenstadt Newport lieben den Rugby. Der ansässige Verein Newport RFC spielt in der höchsten walisischen Rugby-Liga und ist das Aushängeschild der Stadt. Doch wenn am Samstag die von Pep Guardiola trainierte Mannschaft von Manchester City zu Gast in Newport ist, wird Rugby zur Nebensache. Der Viertligist träumt von einem Viertelfinaleinzug im FA Cup. Dabei war der Fußball in der Stadt fast schon Geschichte.
Der AFC Newport County wird im Jahr 1912 gegründet und pendelt in seiner Vereinsgeschichte stetig zwischen der zweiten und vierten englischen Liga. Den Höhepunkt erreicht der Verein im Jahr 1980, in dem „The Exiles“ den Welsh Cup gewinnen und sich somit für den Europapokal der Pokalsieger qualifizieren. Dort scheitert man im Jahr darauf erst im Viertelfinale am späteren Finalisten Carl Zeiss Jena.
In den folgenden Jahren erlebt der Klub seine dunkelsten Zeiten. Im Jahr 1988 steigt man nach 60 Jahren erstmals aus der viertklassigen Football League Two ab. Aufgrund des Abstiegs und mehreren Fehlkalkulationen ist der Verein im darauffolgenden Jahr gezwungen, Insolvenz anzumelden. Das Ende.
Neustart in der neunten Liga
Nicht für David Hando. Er ist zu diesem Zeitpunkt treuer Fan und versucht seinen geliebten Verein zu retten. Gemeinsam mit 400 weiteren Anhängern ruft er zu einer Spendenaktion auf.
Das Konzept hat Erfolg und es gelingt, genügend Geld zu sammeln, um den Verein zu stabilisieren. Doch der sportliche Aufschwung läuft schleppend voran. Der Stadtrat in Newport verweigert dem Verein, die Spiele im damals heimischen Somerton Park auszutragen. Der Grund sind die zu hohen Mietschulden, die nicht beglichen wurden.
Fortan trägt der AFC seine Spiele im 80 Kilometer entfernten Gloucestershire aus. In der neunten walisischen Liga. Doch auch diese Hürde nimmt der Verein. Trotz der Entfernung und der Komplikationen mit dem Stadtrat gelingt der direkte Aufstieg. Jahr für Jahr klettert man durch die Spielklassen und schafft 2013, 25 Jahren nach der Neugründung, die ersehnte Rückkehr in die vierte Liga.
„Wir hatten unseren Fußball-Klub verloren“
Im ersten rein walisischen Aufstiegsspiel im Wembley Stadium gewinnt Newport gegen Wrexham mit 2:0. David Hando ist zu diesem Zeitpunkt Ehrenpräsident und steht nach dem Aufstieg mit Tränen im Gesicht auf dem Spielfeld. In einem Interview sagt er: „Wir hatten unseren Fußball-Klub verloren. Ich kann nicht glauben, was wir erreicht haben“.
Derzeit steht die Mannschaft auf Platz 13 in der Tabelle der League Two. In England ist die vierthöchste Liga, die League Two, eine Profi-Liga. Das Gehalt der Spieler reicht zwar zum Leben, finanziell sorgenfrei sind die Spieler allerdings nicht. Der Kader besteht aus einer Mischung ausgeliehener Talente von höherklassigen Mannschaften und erfahrenen Spielern, die aus der zweiten und dritten Liga transferiert wurden.
Diese Mischung begeisterte im FA Cup durch den 2:1 Heimsieg über die Premier-League-Mannschaft von Leicester City und mit dem Erfolg gegen den Zweitligisten FC Middlesbrough. Nachdem der Außenseiter in Middlesbrough Sekunden vor Ende den Ausgleich erzielt hatte, gewannen sie im Nachholspiel vor heimischen Publikum sensationell und hochverdient mit 2:0.
Einer der Torschützen war Außenbahnspieler Robbie Willmot. Die Geschichte des 28-jährigen steht sinnbildlich für den Erfolg von Newport County. Im Sommer 2015 wird Willmot bei Newport aussortiert und findet keinen Anschluss bei einem Profi-Verein. Fortan spielt er nur noch im Amateur-Fußball. Um Geld zu verdienen, räumt er bei der Supermarktkette „Tesco´s“ Regale ein. Er bezeichnet sich zu diesem Zeitpunkt in einem Interview bereits als Ex-Fußballer.
Doch 2017 wird er zurückgeholt und entwickelt sich zum Stammspieler. Im Spiel gegen den FC Middlesbrough ist eigentlich kein Platz für einen Dribbler wie ihn. Es regnet ununterbrochen, auf dem matschigen Platz sind die Linien des Rugby-Spiels vom Vortag erkennbar. Die Balljungen haben neben das Spielfeld kleine Handtücher gelegt, damit die Spieler bei einem Einwurf den Ball trocken reiben können. Durch die alten Scheinwerfer der Rodney Parade dringt gerade genug Licht, um die Spieler auf dem Platz erahnen zu können.
Der auffäligste Mann auf dem Platz
Doch Willmot ist das egal. Er ist der auffälligste Mann auf dem Platz. In der 47. Minute wird er kurz vor der Mittellinie angespielt, setzt zu einem Dribbling an, kann von vier Verteidigern nicht gestoppt werden und trifft zur 1:0 Führung. Nach dem Spiel stellt sich Willmot alleine vor die Fankurve, klatscht mit erhobenen Händen und lässt sich feiern.
Ein weiterer Pokalheld ist Padraig Amond. Mit seinem Traumtor zum 2:0 machte er die Sensation gegen Middlesbrough perfekt. Seine Statistik im FA Cup: Sechs Spiele, vier Tore. Bei den Fans ist er absoluter Publikumsliebling. Mittlerweile widmeten sie ihm sogar einen eigenen Song.
Auch Torhüter Joe Day erlebte bereits sein eigenes kleines FA-Cup-Wunder. Nach dem Abpfiff gegen Middlesbrough sprintete er direkt in die Kabine und fuhr auf schnellstem Weg ins Krankenhaus. Dort erwartete ihn seine Frau, die während dem Spiel Zwillinge zur Welt gebracht hatte. Sein Trainer Michael Flynn sagte später in einem Interview: „Ich habe Joe noch nie so schnell rennen sehen“.
„Ich wünschte, ich wäre auf den Geburtstag gegangen“
Flynn ist ein ehemaliger Newport-Spieler und trainiert die Mannschaft seit knapp zwei Jahren. In seiner ersten Saison bewahrte er den Verein, trotz einem zwischenzeitlichen Rückstand von elf Punkten, sensationell im letzten Spiel vor dem Abstieg. Seit dem Amtsantritt von Flynn spielt der AFC attraktiveren Fußball und steht wie im letzten Jahr im gesicherten Mittelfeld der Tabelle. Vor dem anstehenden Spiel huldigte er Pep Guardiola als besten Trainer der Welt.
Auf die Frage, wie er sich auf das bevorstehende Pokalspiel vorbereiten würde, sagte er: „Ich habe am Wochenende das Spiel von City gegen Chelsea angeschaut, obwohl ich eigentlich auf einen Geburtstag eingeladen war. Ich wünschte, ich wäre auf den Geburtstag gegangen“
Der AFC weiß um seine Außenseiterrolle, will sich aber nicht schon im Voraus geschlagen geben. In Newport träumen sie von einem erneuten Fußball-Wunder. Immerhin spielen mittlerweile wieder in der Rodney Parade, ihrer alten Heimat. Das Spiel ist ausverkauft. Und zumindest für die 7.850 Zuschauer wird Fußball am Samstag die wichtigste Sportart der Stadt sein.