Dass ein Verein aus Ecuador im Finale der Copa Libertadores steht, ist eine Überraschung. Dass es Independiente del Valle ist, gleicht einem Wunder.
In der Gruppenphase lassen sie Chiles Rekordmeister Colo-Colo hinter sich. In der K.O.-Runde muss zunächst Titelverteidiger River Plate und schließlich einer der diesjährigen Top-Favoriten auf den Titel, Pumas aus Mexiko, dran glauben. Ehe es im Halbfinale zum nächsten ungleichen Duell mit den Boca Juniors um Superstar Carlos Tevez kommt.
Der allein verdient pro Jahr eine halbe Million Euro mehr, als der Fünf-Millionen-Gesamtetat von Independiente hergibt. Und geht doch als Verlierer vom Platz. Dabei waren sie sich so sicher, dass der Emporkömmling aus Ecuador keine Gefahr darstellen würde. Dem überraschenden Halbfinal-Einzug zum Trotz.
Der neue Stolz des Landes
Es sei „das leichteste Halbfinale in Boca’s Geschichte“, war etwa Klub-Legende Juan Riquelme überzeugt. Und auch nach der 1:2‑Niederlage im Hinspiel schien das Finale nur Formsache. Ein Auswärtstor in der Höhen-Hölle von Quito erzielt zu haben, sei doch die halbe Miete. Auf gut 2800 Metern über dem Meeresspiegel mussten sich schließlich schon viele große Mannschaften geschlagen geben.
Zumal im Estadio Olímpico Atahualpa, dem Nationalstadion Ecuadors, in das Independiente für die internationalen Spiele ausweicht. Einfach weil das heimische Estadio Rumiñahui mit seinen knapp 8000 Plätzen viel zu wenig Platz bietet für den neuen Stolz des Landes.
Nachwuchsarbeit als Erfolgsrezept
Doch die Mannschaft von Pablo Repetto ist nicht allein auf Höhenluft angewiesen. Das Team hat vielmehr verinnerlicht, was als Zauberformel der meisten Fußballmärchen der jüngeren Geschichte gelten darf: aufopferungsvolles, kollektives Verteidigen und blitzartig vorgetragene Konter.
So meisterte diese Mannschaft, deren Kader mit der Ausnahme von drei Uruguayern ausschließlich aus einheimischen und zumeist blutjungen Spielern besteht, selbst La Bombonera. Eine dieser Arenen, deren Atmosphäre allein ein Spiel entscheiden kann. Ließ sich selbst vom frühen, in der vierten Spielminute kassierten Rückstand und dem anschließenden Sturmlauf Bocas nicht aus der Ruhe bringen. Gewann mit 3:2. Und somit beide Spiele gegen die bis dato in der Copa gänzlich ungeschlagene Star-Truppe aus Buenos Aires.
Auf den Einkaufszetteln europäischer Klubs
Und auch wenn der Erfolg vor allem ein Erfolg des Kollektivs ist, stechen einige Spieler doch hervor. Da ist zum einen das Innenverteidiger-Duo, bestehend aus Luis Caicedo (24) und Arturo Mina (25). Ein Abwehrbollwerk, das die 2800-Höhenmeter von Quito zuweilen als Sandhügel erscheinen lässt.
Da ist Spielmacher Júnior Sornoza (22), dessen lange, öffnenden Pässe als Schaubild für jedes Geometrie-Schulbuch taugen würden. Da ist der gerade 19 Jahre alte Linksaußen Bryan Cabezas, bei dessen Anblick es schon viel Fantasie bedarf, ihn nicht schon bald bei einem der ganz großen, europäischen Klubs zu sehen.
Und da ist José Angulo (21), ein verlässlicher Sturmtank klassischer Prägung. Bis auf Abwehrchef Mina entstammen sie alle der eigenen Jugend. Und stehen längst auf den Einkaufszetteln europäischer Klubs, vom FC Everton (Mina) bis hin zu Atletico Madrid (Angulo).