Gestern um 14:30 Uhr geisterte der Gedanke das erste Mal durchs Internet. Ein Schalke-Anhänger schrieb entrückt: „Ist Felix Magath am Ende sogar Dortmund-Fan und das alles nur Teil eines großen Plans?“ Wie schlimm es um die Königsblauen in diesem Moment wirklich stand, erkennt man schon an der Tatsache, dass ein Königsblauer leichtfertig den Namen der verbotenen Stadt in den Mund nahm. Was war passiert?
So eben rauschte die Nachricht des Tages über den Äther: Schalke 04 holt Ali Karimi. Ein Name, den man eigentlich schon aus seinem Gedächtnis gelöscht hatte. Allenfalls ein Name, mit dem man Bayern-Fans auf die Palme bringen konnte. Doch jetzt ist Karimi Schalker. Die neuen Nummer 10 dazu.
Zu viel für die Fangemeinde des FC Schalke 04, die bisher noch jeden Transfer von Magath zumindest zähneknirschend in Kauf genommen hatte. Avelar? Okay. Charisteas? Bitte was? Aber: auch okay. Irgendwie hoffte man einfach, dass Magath schon wisse, was er tut. Schließlich hat er damals in Wolfsburg seinen Kader ähnlich durchgeschüttelt wie seit seinem Amtsantritt auf Schalke im Juli 2009. Und am Ende stand er wie ein Messias im gelobten Land. In der Hand den heiligen Gral: die Meisterschale.
Das Projekt entgleitet Felix Magath
Doch dieser Glaube ist mittlerweile einem Gemisch aus Schockstarre, Galgenhumor und Feindseligkeit gewichen. Denn nicht nur, dass Felix Magath zuletzt gegen Hoffenheim eine Mannschaft ohne jeglichen Ansatz von Offensivkonzept, geschweige denn einem ernstzunehmenden Defensivverbund aufbot, nein, er selbst, der stoische Fels in der Brandung, wirkte seltsam überfragt. Er wisse auch nicht, warum die Mannschaft so schlecht spiele, diktierte er den Journalisten am Samstag in die Blöcke, und lächelte das Magath-Lächeln. Freeeze. Ja, wer soll es denn dann wissen? Magaths Position als Trainermanageralleswisser scheint ihm in dieser sportlich schwierigen Situation vollends entglitten zu sein.
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Lösungen gibt es keine, was bleibt, ist blinder Aktionismus. Das Ergebnis: Binnen eines Jahres hat Magath eine bärenstarke Defensive bis zur Auflösung entkernt und neu zusammengesetzt. Auf eine Stammformation wartet man am Ernst-Kuzorra-Weg vergeblich. Das etatmäßige defensive Mittelfeld, nicht selten als Schaltraum moderner Fußballmannschaft identifiziert, wurde verjagt und neu besetzt. Peer Kluge erwies sich als Verstärkung, Anthony Annan ist vor allem eines: eine Wundertüte. Ob der 24-Jährige Ghanaer die erhoffte Triebfeder des Erfolgs sein kann, steht in den Sternen. Vorne fehlt seit gefühlten einhundert Jahren so etwas wie ein Konzept. Eigentlich ist seit dem Abgang von Lincoln kein Spieler nachgerückt, der dem Schalker Offensivspiel auch nur den Hauch von Kreativität verleihen konnte. José Manuel Jurado sollte so ein Mann sein, doch diesen Beweis blieb der sündhaft teure Spanier zuletzt schuldig und landetet auf der Bank. Ihm sitzt jetzt Karimi im Nacken. Ali Karimi. Klingt lustig. Ist es aber nicht.
Ganz vorne spielt sich einzig Raul in die Herzen der Liga, Klaas-Jan Huntelaar, furios in die Saison gestartet, hat eine Flaute. Doch anstatt ihm, einem Stürmer von Weltklasseformat, etwas Geduld zu geben, fuchtelt Magath auch hier dazwischen. Erst spielt der No-Name Gavranovic (immerhin ein Tor, mehr aber auch nicht) und jetzt kommt auch noch Angelos Charisteas, ergrauter Ex-Europameister mit der besonderen Empfehlung eines Spitzenstürmers: Er schoss in den vergangenen drei Spielzeiten insgesamt drei Tore – immerhin drei Mal so viele wie Hans-Jörg Butt, der Torwart des FC Bayern.
Freunde von Verschwörungstheorien aufgepasst
Avelar, Charisteas, Karimi, Verpflichtungen, die sicher auch im Kader der Schalker für fragende Gesichter gesorgt haben. Addiert man den Hickhack um Leistungsträger Jefferson Farfan und die Abgängen von Jermaine Jones und Ivan Raktic dazu wird es düster: Felix Magath hat es geschafft aus einer ohnehin verunsicherten Mannschaft, eine neue zu formen – die noch verunsicherter sein wird. 34 Spieler hat der Blähkader bei S04 derzeit, ruhiges Arbeiten ist da nur schwer möglich. Dabei wäre das dringend von Nöten, denn am Freitag wartet das Derby gegen den Tabellenführer Borussia Dortmund.
Freunde von Verschwörungstheorien werden Magath dann ganz genau beobachten: Hat er da gerade gelacht bei einem Pass von Mario Götze? Freut er sich über das Gegentor? Alle anderen haben zumindest den Glauben an Magaths Zauberhand verloren. Ihm kann eigentlich nur noch eines helfen: Freitagabend, 89. Minute, Karimi auf Charisteas, 1:0 für Schalke, der Derby-Sieg.
Man wird ja wohl noch einen Witz machen dürfen. Auch wenn auf Schalke derzeit niemanden zum Lachen zumute ist.