Der Künstler Gerrit Starczewski lädt am Sonntag zum Nacktfußball in Erkenschwick ein, um ein Zeichen gegen den modernen Fußball zu setzen. Was soll das?
Gerrit Starczewski, am Sonntag lassen Sie im Stimbergstadion zwei Mannschaften nackt gegeneinander spielen. Was vor allem eine Frage aufwirft: Warum?
Starczewski: Warum denn nicht? Ich finde das total spannend. Profi- aber auch Amateurvereine proklamieren immer wieder, dass sie den wahren Fußball bieten würden. Echte Liebe und so. Authentizität will eben jeder besitzen. Ich glaube aber, besonders authentisch ist man nur, wenn man auf das ganze Drumherum, also wirklich alles, von der Werbebande bis zur Kleidung, verzichtet. Und ob das stimmt, will ich herausfinden.
Es ist also nicht einfach nur eine richtig bescheuerte Idee?
Ganz im Gegenteil. Mein Kunstprojekt nakedFUßBALL, das übrigens vor fünf Jahren zum ersten Mal in Herne stattfand, hat mehrere Dimensionen. Ich erschrecke mich in letzter Zeit immer wieder, welches Schönheitsideal die Medien verbreiten. Ganz besonders diese Influencer in den Soziale Medien wie Instagram. Da gibt es nur noch einen ganz schmalen Korridor, was in unserer Gesellschaft schön ist. Dabei ist der Körper doch nur eine Hülle. Es kommt auf den Menschen an. Und deshalb stelle ich mich, zwei Meter groß und 140 Kilo schwer, ziemlich gerne nackt auf einen Fußballplatz. Als Gegenentwurf, als eine Protestform.
Aber was hat der Fußball mit dem verqueren Schönheitsideal der modernen Gesellschaft zutun?
Ziemlich viel. Auch da muss alles perfekt sein, auch da geht’s am Ende nur um den Kommerz. „Das System Fußball ist krank, darum ziehen wir alle blank“, steht auf einem Banner, vor dem sich die Teilnehmer am Sonntag versammeln sollen. Ich muss ehrlich sagen: Der moderne Fußball kotzt mich nur noch an. Als wir vor fünf Jahren zum ersten Mal gespielt haben, kamen 150 Zuschauer. Alle ahnten, dass es mit dem Fußball so nicht mehr weitergehen kann. Seitdem ist es nur noch schlimmer geworden.
Mit der Coronakrise hoffen einige, dass der Fußball einen Selbstreinigungsprozess durchlebt.
Die Hoffnung habe ich aufgegeben. Mit welcher Überheblichkeit Hans-Joachim Watzke und Kollegen in den letzten Wochen behauptet haben, wie wichtig der Fußball für die Gesellschaft sei, hat mich fast sprachlos gemacht. Wir wissen doch alle: Es geht nur noch ums Geld. Dabei hat das Interesse an der Bundesliga in den letzten Wochen eher abgenommen. Mir persönlich geht der Profifußball mittlerweile am Arsch vorbei.
Weshalb Sie denselbigen nun in aller Öffentlichkeit präsentieren?
Ja, und keine Sorge: Ich stehe zu mir. Gerade deshalb hat mein Projekt auch nichts Sexuelles oder Voyeuristisches. Es ist einfach sehr spannend.
Inwiefern?
Ich fand es beim letzten Mal faszinierend zu sehen, wie sich die Spieler auszogen und schon nach kurzer Zeit vergessen hatten, dass sie nicht mehr als ein paar Stutzen trugen. Die haben einfach gekickt.
Die Mannschaften tasten sich nicht erst ab?
Ha, von wegen, da geht’s sofort zur Sache. Das ist übrigens auch anatomisch ganz interessant. Ich habe schon das Gefühl, dass sich der Körper anders verhält, wenn er nackt zur Blutgrätsche ansetzt. Und der Torwart anders abspringt, wenn’s unten locker baumelt.