19.05.2012: Bayern gegen Chelsea, Finale dahoam. Ein Tag, der beim FC Bayern tiefe Narben hinterlassen hat.
Stunden später. Ecke für Chelsea. Die erste. Für Bayern hat Kroos schon gefühlt 20 reingebracht, ungefährlich allesamt, aber was soll’s? Es steht 1:0 für die Bayern, 1:0 für München, für die Party.
And now goal. Was David Luiz im Vorbeilaufen dem völlig fertigen Bastian Schweinsteiger steckte, war bei uns auf der Tribüne nur ein bitterböses Unken. Und dann: Goal. Kopfball. Drogba. So absurd und gleichzeitig so folgerichtig, dass mir in dem Moment nicht mal der Flaschensammler einfiel. Mir fiel, wie allen, in diesem Moment überhaupt nichts mehr ein. Außer Schweinsteiger. Der war schon in der 65., 70. Minute mit pumpendem Oberkörper an der Seitenlinie gewesen, hatte gierig getrunken, der Körper völlig kaputt, der Wille ließ ihn funktionieren. Was macht Schweinsteiger? Er kämpft. Mit sich, gegen sich.
Dann Verlängerung. Dann Elfmeter. Drogba foult, Robben schießt. Schweinsteiger sieht nicht hin. Die falsche Seite der Arena jubelt. Schweinsteiger wird von seinem Torwart hochgerissen, er scheint lange zu brauchen, bis der Wille wieder stärker ist als der Körper. Ich beobachte jetzt nur noch ihn. Und Drogba. Ringkampf der verlorenen Seelen. Drogba stolziert in den Pausen auf und ab, vor sich hin murmelnd, wie ein Voodoopriester, wie in Trance. Und Schweinsteiger spielt eine grandiose zweite Verlängerungshälfte, dies hier ist sein größtes Spiel, zweifellos. Dann kommt das Elfmeterschießen. Und Schweinsteiger. Und Drogba. Und dann ist es vorbei, das Spiel, das Bastian Schweinsteiger dreimal verlieren und Didier Drogba dreimal gewinnen musste, ehe es endlich entschieden war.
Beerdigungen sind schöner
Die Stimmung in der Stadt zu beschreiben, danach, ist unmöglich. Beerdigungen sind schöner. Später, schon weit nach Mitternacht, eine winzige, traurige Kneipe an der Schleißheimer Straße. Erbarmungswürdige Gesellschaft. Gramgebeugte Bayern-Trikots am Tresen. Trotz Musik und Geplauder: Totenstille. Und ich, der Bayern-Hasser, der sich 1999 noch gefreut hatte, dass die Bayern einen drauf bekommen hatten, wollte am liebsten hingehen und sie trösten und ihnen sagen: Es tut mir Leid, für heute – und für damals. Das habt ihr nicht verdient. Sowas hat keiner verdient.
Aber in Momenten wie diesem gibt es nichts zu sagen.
Ich zahlte mein Bier und ging langsam nach Hause.