Sebastien Haller ist der Topscorer der Bundesliga. Wenn er trifft, stellt er sich oft mit ausgebreiteten Armen unbewegt vor die Kurve: „Hier bin ich, schaut mich an!“ Als ob man diesen Leuchtturm übersehen könnte.
Da durften sie nun also zum ersten Mal alle drei gemeinsam ran. In der Heimat des originalen „Magischen Dreiecks“ bestehend aus Krassimir Balakov, Fredi Bobic und Giovane Elber in Stuttgart ward auch das neue geboren. Nur diesmal nicht beim VfB, sondern bei dessen Gegner aus Frankfurt, bestehend aus Luka Jovic, Ante Rebic und Sebastien Haller.
Trainer Adi Hütter hatte schon seit Längerem angekündigt – oder viel mehr angedroht –, dass er seine drei Stürmer früher oder später mal gemeinsam aufs Feld schicken würde. Letzten Freitag in Stuttgart war es dann soweit. Am Ende stand ein 3:0‑Auswärtssieg für die Eintracht, nur Jovic hatte nicht getroffen.
Die Dreierkombination funktionierte dennoch ausgesprochen gut und erfolgreich. Sie weckt Erinnerungen an den Fußball 2000. Eine neue alte Eintracht, weniger Hauruck, mehr „jogo bonito“. Weniger Diva, mehr Verlässlichkeit. Jovic statt Fenin. Rebic statt Gekas. Und in der Rolle als offensiver Fixstern: Sebastien Haller, der Leuchtturm im Angriff.
Mehr als nur ein Wandspieler
Nach dem zehnten Spieltag ist Haller aktuell der beste Scorer der Bundesliga. Sieben Tore, fünf Vorlagen. Das hat seine Gründe. Kein anderer Spieler in der Bundesliga versteht es so wie er, den Ball abzuschirmen. Seine 1,90 Meter und 91 Kilo sind dabei natürlich hilfreich. Doch dem Abschirmen geht in aller Regel eine filigrane Annahme voraus – und eine intelligente Ablage folgt.
Die Bezeichnung Wandspieler wird dem nicht gerecht. Sie übersieht schlichtweg viele Aspekte von Hallers Spiel: seine Beweglichkeit, seine Schnelligkeit und seine Abschlussstärke. Außerdem können vermutlich nur die wenigsten Wände den Ball so elegant mit der Hacke weiterleiten wie Haller. Oder so formvollendete Seitfallzieher mit Haltungsnote 10 eintüten wie beim Tor gegen Stuttgart in der vergangenen Saison. Wenn er trifft, stellt er sich oft mit ausgebreiteten Armen unbewegt vor die Kurve, „hier bin ich“. Als ob man einen Leuchtturm übersehen könnte.
Das Vorbild für sein Tor damals? „Zlatan Ibrahimovic macht viele solcher Tore“, sagte Haller. Der Vergleich mag einer Gotteslästerung gleichkommen – und dennoch lassen sich einige Gemeinsamkeiten in Statur und Spielweise feststellen. In Sachen Ego bewegen sich die beiden allerdings in gänzlich unterschiedlichen Sphären. Gefragt nach dem komplettesten Stürmer der Mannschaft, wäre Zlatans Antwort klar. Haller hingegen sagt: „Luka (Jovic, Anm. der Red.). Er bringt alles mit, ist schnell, robust, technisch versiert und ein super Vollstrecker.“ Jovic ist also der komplette Stürmer, Ante Rebic wird in Frankfurt verschiedenfach als Ein-Mann-Büffelherde beschrieben. Und Haller? Ist der stoische Gigant im Frankfurter Angriffsspiel.
Adi Hütter sagt: „Sebastien ist physisch sehr stark und brandgefährlich. Er kann die Bälle super festmachen und ist ein ganz anderer Spielertyp als Jovic oder Rebic.“ Während die anderen beiden in wechselnder Besetzung oder gleichzeitig um ihn herumwirbeln, erledigt Haller stoisch und konstant seinen Job. In der Bundesliga verpasste er bislang nur 98 Minuten. Er ist nicht nur Toptorschütze und ‑scorer, sondern gewinnt auch Liga weit die meisten Zweikämpfe und Kopfballduelle. Es ist ein Klischee, doch Haller ist einer dieser Spieler, die seine Mitspieler besser machen, weil sie für sie arbeiten und nicht für sich. Gerade das quasi blinde Verständnis zwischen Jovic und Haller wurde beim 7:1 gegen Fortuna Düsseldorf deutlich.
Betonung auf „unter anderem“
Vergessen die Zeiten, in denen Eintracht Frankfurt auf die so wichtigen aber immer rarer gesäten Tore des Fußballgotts Alex Meier hoffen musste. Vergessen auch die Zeiten von „Bruda, schlag den Ball lang“. Denn Adi Hütter hat den physischen Fußball von Niko Kovac weiterentwickelt, ihn um ein passendes Offensivkonzept erweitert und spielerische Lösungen implementiert.
Das eröffnet Haller neue Möglichkeiten. Auch wenn er immer noch sagt: „Mein Job ist es, viel zu arbeiten, Bälle zu halten und Räume frei zu schaffen.“ Alles korrekt, doch die Betonung liegt auf „unter anderem“. In der Frankfurter Post-Kovac-Ära beschränkt sich Hallers Rolle nicht mehr darauf, Langholz aus der Luft zu fangen. Dadurch wird erst seine ganze Klasse deutlich, von der filigranen Annahme über den genialen Doppelpass bis zum brachialen Abschluss. Egal ob nun mit Jovic, Rebic oder beiden gleichzeitig an seiner Seite.