Patrick Kluivert wurde als 18-Jähriger über Nacht zum Star. Wir zeigen seine bewegte Karriere in unserer Bilderstrecke.
1994 tauchte ein 17-Jähriger namens Patrick Kluivert im Kader des holländischen Meisters Ajax Amsterdam auf. Kurz zuvor war Ajax daran gescheitert, einen gewissen Ronaldo aus Brasilien nach Amsterdam zu lotsen. Der entschied sich für den PSV Eindhoven. Der damalige Trainer Louis van Gaal nahm es sportlich: »Die haben Ronaldo, aber wir haben Patrick Kluivert.« Der Straßenfußballer Kluivert hatte in den Vorjahren etliche Ajax-Jugendmannschaften durchlaufen und passte perfekt in van Gaals System.
Van Gaal hatte auf den Richtigen gesetzt. Schon am Ende seiner ersten Saison holte Kluivert mit 18 Jahren den wichtigsten Titel seiner Karriere. Im Champions-League-Finale 1995 tankt er sich kurz vor Schluss an Franco Baresi und Paolo Maldini vom AC Milan vorbei und erzielt den 1:0‑Siegtreffer.
Mit Spielern wie Edwin van der Saar, Frank und Ronald de Boer, Marc Overmars, Jari Litmanen, Clarence Seedorf, Edgar Davids und Patrick Kluivert war Ajax Mitte der Neunziger das Maß aller Dinge. Nach diesem sportlichen Hoch fiel Kluivert allerdings im September desselben Jahres in ein persönliches Loch: Er war nachts mit überhöhter Geschwindigkeit über die Amsterdamer Grachtenbrücken gefahren und hatte dabei einen Mann getötet. Die Folge: eine Bewährungsstrafe.
Sportlich ging es hingegen erfolgreich weiter: Im Dezember 1995 holte die Mannschaft um Kluivert, Nwankwo Kanu und Finidi George in Tokio auch den Weltpokal…
…und feierte diesen Triumph gebührend. Nein, das sind nicht Harry Potter, Ron Weasley und Lee Jordan auf dem Hogwartsball. Sondern Edwin van der Saar, Edgar Davids und Patrick Kluivert. Letzterer wurde 1995 auch zum besten Nachwuchsspieler Europas gekürt.
Auch in der Nationalmannschaft war Kluivert mittlerweile festes Mitglied. Mit zwei Toren in den Qualifikations-Playoffs gegen Irland schoss er die Niederlande zur EM 1996. Dort trauten Experten dem jungen Team viel zu. Gegen Gastgeber England markierte Kluivert in der Vorrunde sein erstes Tor bei einem Großturnier. Doch im Viertelfinale war im Elfmeterschießen gegen Frankreich Schluss. Clarence Seedorf verschoss den entscheidenden Elfmeter gegen Bernard Lama (hier im Bild mit Kluivert und Christian Karembeu).
1997 wechselte Kluivert zum AC Milan, wo er an der Seite des Weltfußballers George Weah stürmen durfte. »Er war einer der besten Spieler, mit denen ich zusammengespielt habe«, sagt Kluivert heute. Trotz sechs Toren in 27 Spielen wurde er in Mailand nicht glücklich und verließ den Verein schon nach einem Jahr.
Bei der anschließenden WM 1998 lief es besser. Im Viertelfinale gegen Argentinien schoss Kluivert den 1:0‑Führungstreffer, die Niederlande zogen ins Halbfinale ein.
Dort lagen die Niederlande bis kurz vor Schluss mit 0:1 gegen Brasilien zurück. Bis Kluivert in der 87. Minute der Ausgleich gelang. In der Verlängerung fielen keine Tore, doch wie schon vor zwei Jahren schieden Kluivert und Co. im Elfmeterschießen aus.
Nach der WM wechselte Kluivert zum FC Barcelona. Dort konnte er an seine Leistungen bei Ajax Amsterdam anknüpfen und wurde 1999, im Jubiläumsjahr des Vereins, auf Anhieb Spanischer Meister. Seinen damaligen Mannschaftskollegen Luis Enrique würde er irgendwann gerne als Barcelona-Trainer beerben.
Die EM 2000 im eigenen Land war ein weiterer Höhepunkt in Kluiverts Karriere. Mit fünf Toren wurde er dort Torschützenkönig, auch wenn…
…man im Halbfinale gegen Italien (hier mit Alessandro del Piero) wieder einmal das Nachsehen hatte. Müßig zu erwähnen, dass das auch dieses Spiel im Elfmeterschießen entschieden wurde. Trotzdem hätten die Holländer die Partie schon in der regulären Spielzeit entscheiden können, Italien spielte nach Zambrottas frühem Platzverweis nur noch zu Zehnt. Doch sowohl Frank de Boer in der 39. als auch Kluivert in der 62. Minute verschossen einen Elfmeter. Im Elfmeterschießen selbst traf Kluivert dann als einziger Spieler seiner Mannschaft ins Netz. Ein bitterer Trost.
In Barcelona widmete sich Kluivert gern den Genüssen außerhalb des Platzes. So war er des öfteren bei Formel1-Rennen zu sehen – und natürlich auch im Nachtleben. Später eröffnete er sogar einen eigenen Nachtclub direkt am Strand: Die »Carpe Diem Lounge«.
In der Champions League hingegen, war der FC Barcelona zu der Zeit keine feste Größe. 2002 zog stattdessen der damalige Gegner Bayer 04 Leverkusen (mit Carsten Ramelow) ins Finale gegen Barcas Erzrivalen Real Madrid ein.
Auch in der Nationalmannschaft war 2002 für Kluivert und Co. nichts zu holen. Einige mögen sich dunkel erinnern: »Ohne Holland fahr’n wir zur WM«. Im Freundschaftspiel gegen Deutschland traf er aber immerhin auf einen Spieler der Kategorie: »Wie, der war mal Nationalspieler?«. Jörg Böhme.
2004 neigte sich Kluiverts Zeit in Barcelona nach 90 Toren in 182 Spielen dem Ende zu. Immerhin war es ihm noch vergönnt gemeinsam mit Ronaldinho zu spielen. Ebenfalls für ganze 18 Einsätze im Team: Wandervogel Edgar Davids
Bei der EM 2004 brachte Kluivert das Kunsstück fertig, als einziger Feldspieler der »Elftal« ohne Einsatz zu bleiben. Zum wiederholten Male scheiterte die Mannschaft im Halbfinale, an Gastgeber Portugal. Danach war auch Kluiverts Nationalmannschaftskarriere beendet. In seinem Heimatland ist er mit 40 Toren in 79 Spielen hinter Robin van Persie immer noch der zweitbeste Torschütze der Geschichte.
Es folgten die lauen Jahre des Karriereherbstes. Nach einer Saison bei Newcastle United an der Seite von Alan Shearer…
…tingelte Kluivert noch durch Valencia, Eindhoven und Lille. Vor allem in Valencia entzückte er die Boulevard-Medien mit einer einzigartigen Klausel in seinem Vertrag: Wäre Kluivert dreimal unerlaubterweise in Nachtclubs gesichtet worden, hätte der Verein ihm fristlos kündigen können. Warum genau er Valencia nach nur 10 Spielen wieder verließ, ist jedoch nicht überliefert.
Im Alter von 29 Jahren hatte Kluivert genug erlebt, um seine Biographie mit dem Titel »Kluivert« zu veröffentlichen. Mit dabei: die Söhne Justin (niederländischer U‑16-Nationalspieler) und Quincy.
2012 wechselte Kluivert nach ersten Trainer-Erfahrungen in Nijmegen und Enschede zur niederländischen Nationalmannschaft. Als Co-Trainer seines großen Förderers Louis van Gaal.
Bei der WM 2014 in Brasilien holte das Team um Arjen Robben den dritten Platz. Im Halbfinale war man – trotz der langjährigen Erfahrung des Co-Trainers auf diesem Terrain – im Elfmeterschießen an Argentinien gescheitert. Nach der WM wollte Kluivert zunächst Louis van Gaal nach Manchester folgen. Als sich der Deal zerschlagen hatte, entschied er sich stattdessen für ein Abenteuer:
Als Teamchef des Inselstaates Curacao, in dem Kluivert Verwandte hat. Das große Ziel: die WM 2018 in Russland.