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Ein kleines Quiz vorweg: Wel­cher Trainer saß in den Uefa-Cup-End­spielen von 1997 (Inter gegen Schalke) und 2010 (Atle­tico Madrid gegen Fulham) jeweils auf der Bank der unter­le­genen Mann­schaft? Kleiner Tipp: Es ist der gleiche Trainer, der im Jahr 2001 um ein Haar Bun­des­trainer geworden wäre, der im Laufe der Jahre in Ver­hand­lungen mit Hertha BSC und dem VfB Stutt­gart stand, der allein in Schweden fünf Mal Meister wurde, den man in der Schweiz auch Roi“ (König; Anm. d. Red.) ruft und nach dem man in Malmö sogar eine Fan­kurve benannt hat.

Der Mann, der all diese Dinge auf sich ver­eint, ist Roy Hodgson, seines Zei­chens neuer Natio­nal­trainer Eng­lands, manche sagen gar: Eng­lands letzte Hoff­nung. Seit nun­mehr 36 Jahren tourt Hog­dson schon durch den Welt­fuß­ball, wurde in vielen Län­dern zur Legende und wird bis heute von allen ehe­ma­ligen Kol­legen und Spie­lern ver­ehrt. Und den­noch weiß man kaum etwas über den Mann, den sie in Eng­land ob seines leicht knitt­rigen Gesichts spa­ßes­halber mit einer Eule ver­glei­chen.

Dabei gibt es jede Menge über Hodgson zu erzählen, schließ­lich arbei­tete er in ins­ge­samt acht Län­dern, dar­unter als Natio­nal­trainer der Schweiz, die er sen­sa­tio­nell bis auf den dritten Rang der Fifa-Welt­rang­liste führte. Mit Finn­land ver­passte er nur knapp die Qua­li­fi­ka­tion für die EM 2008, was einem ähn­li­chen fuß­bal­le­ri­schen Kuriosum gleich gekommen wäre wie ein Double-Gewinn des 1. FC Köln in dieser Saison. In jungen Jahren ver­suchte er aber natür­lich erst einmal, als Pro­fi­fuß­baller Fuß zu fassen. Doch bei Crystal Palace war er zu schlecht für die erste Mann­schaft, wes­halb er bereits mit 23 Jahren seine Trai­ner­li­zenz erwarb und später nach Süd­afrika ging, um als Sport­lehrer zu arbeiten.

Moti­va­tion à la Hodgson: Okay Jungs, ihr könnt nichts!“

1976, Hug­dson war mitt­ler­weile 28 Jahre alt, lotste ihn schließ­lich ein Freund nach Schweden zu Halm­stads BK. Nur ein Jahr zuvor war der Klub knapp dem Abstieg ent­kommen. Hodgson erin­nerte sich einst in der Sunday Times“ an seine ersten Tage in Schweden: Ich habe mir die Mann­schaft ein paar Tage ein­fach nur ange­schaut, dann trat ich in die Kabine und sagte: Okay Jungs, ihr könnt nichts. Und ich zeige euch jetzt, was wir ins Zukunft machen werden.‘“ In seinem ersten Jahr wurde Hodgson mit Halm­stads BK sen­sa­tio­nell Meister.

Es folgte eine Trai­ner­kar­riere im Schlag­schatten des Welt­fuß­balls. Mit Halm­stadt wie­der­holte er das Meis­ter­stück zwei Jahre später, ging zu Malmö FF und holte dort in fünf Jahren zwei Mal den Meis­ter­titel und zwei Mal den Pokal. Über den Umweg Xamax Neu­chatel lan­dete er schließ­lich als Trainer der Schweizer Natio­nal­mann­schaft halb­wegs unver­hofft mitten im Kon­zert der Großen. Die Wun­derelf der Eid­ge­nossen um Ciriaco Sforza, Ste­phane Cha­puisat, Alain Suter und Co. qua­li­fi­zierte sich nicht nur nach knapp 30 Jahren Abs­ti­nenz wieder für eine WM, son­dern erreichte in den USA auch prompt das Vier­tel­fi­nale. Noch so eine Sen­sa­tion. Und so langsam merkten nun auch die Groß­kop­ferten, dass sich da fernab der großen Ligen ein echtes Trainer-Juwel selbst den letzten Fein­schliff ver­passt hatte.

Fuß­ball ist für mich die höchste Form der Kultur“, sagte Hodgson einmal, kein Wunder also, dass der Wel­ten­bummler schließ­lich den Weg ins Land der dama­ligen Fuß­ball-Hoch­kultur fand und bei Inter Mai­land unter­schrieb. Dort arbei­tete er erst­mals tag­täg­lich mit Welt­stars wie Giu­seppe Bergomi, Youri Djor­kaeff und Ivan Zamo­rano zusammen. Das Pro­jekt schei­tert schließ­lich im Uefa-Cup Finale 1997. Kurz nachdem Marc Wil­mots den ent­schei­denden Elf­meter für den FC Schalke gegen Inter Mai­land ver­wan­delt hatte, entlud sich der Hass der Inte­risti auf den unge­liebten Trainer. Sie bewarfen Hodgson mit Beschimp­fungen, Bechern und Feu­er­zeugen. Zwei Tage später trat der geschockte Trainer zurück und kehrte Heim nach Eng­land. Zu den Blackburn Rovers.

Aber aus­ge­rechnet seine Rück­kehr in die Heimat miss­lang gran­dios, 1999 wurde er auf dem letzten Tabel­len­platz in Blackburn ent­lassen. Es war ein Fiasko und Hodgson die Lach­nummer der Nation. Der mitt­ler­weile 52-Jäh­rige trat die Flucht ins Aus­land an: Mai­land, Zürich, Kopen­hagen, ja, sogar in den Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emi­raten heu­erte der Wan­der­vogel aus Croydon in Süd­london an. Es wurde ein Aus­flug, den er nach seiner Ent­las­sung 2004 in der Sunday Times“ mit seiner tro­ckenen Art umriss: Die Spieler dort sind prin­zi­piell eher faul. Auch viele Trainer gehen dahin und ver­schwenden ihre Zeit. Das wider­spricht meinem Natu­rell.“ Eine ver­bale Ohr­feige für das Fuß­ball-Ent­wick­lungs­land im Nahen Osten.

Es ist, als fühle sich Hodgson nur im Norden wohl

Erst im hohen Norden fand Hodgson zurück in den Sen­sa­ti­ons­spur: Viking Sta­vanger führte er von den Abstiegs­rängen in den Uefa-Cup, als Natio­nal­trainer Finn­lands schrammte er schluss­end­lich nur denkbar knapp an seinem eigenen Denkmal vorbei.

Doch wie so oft ist der Pro­phet im eigenen Land nichts wert, denn in seiner Heimat Eng­land ist Hodgson gebrand­markt. Ihm fehle die Aura eines Alex Fer­guson, die Magie eines José Mour­inho und die Wur­zeln eines Kenny Dalg­lish, läs­tern sie auf der Insel. Roy Hodgson ist kein Mes­sias, son­dern schlicht ein aus­ge­wie­sener Fuß­ball­fach­mann. Seit Jahren arbeitet er bei großen Tur­nieren für die Fifa als tech­ni­scher Beob­achter, spürt die Trends des Welt­fuß­balls auf, erkennt Dinge, die andere erst von ihren 22 Co-Trai­nern erkennen lassen müssen.

Erst als er schließ­lich Ende 2007 den FC Fulham auf Rang 19 über­nahm, spra­chen nicht wenige von einem Him­mel­fahrts­kom­mando. Man traute Hodgson ein­fach nicht zu, eine Mann­schaft in der Pre­mier League erfolg­reich zu führen. Doch er ver­hin­derte tat­säch­lich den Abstieg aus der Pre­mier League – eine bes­sere Tor­dif­fe­renz gegen­über Rea­ding sorgte für diese kleine Sen­sa­tion. Zwei Jahre später stand er mit Fulham im Uefa-Cup-Finale, wo Fulham am Ende gegen Atle­tico Madrid verlor. Doch für Hodgson glei­chen die drei Jahre bei Fulham einem Tri­umphzug. End­lich war er wer, auch in seiner Heimat, wie ein Rit­ter­schlag kam da die Wahl zum Trainer des Jahres 2010“. Es folgte sein Wechsel zum FC Liver­pool. Doch zeit­gleich mit der Ver­kün­dung dieser Liason fragte der Daily Star“ und damit ganz Eng­land bereits: Ist er gut genug für Liver­pool. Oder ist er nur ein Mit­tel­klasse-Trainer?“ Sie sollten die Ant­wort schon nach 191 Tagen bekommen: Roy Hog­dson wurde bei den Reds“ ent­lassen. War der Ruf des Mit­tel­klasse-Trai­ners“ nicht sowieso schon ram­po­niert, so lag er nun in Trüm­mern vor ihm.
Doch warum wählt Eng­land aus­ge­rechnet diesen Roy Hodgson als Natio­nal­trainer aus?

Zual­ler­erst Hodgson ist ein Sys­te­ma­tiker, ein See­len­ver­wandter des ita­lie­ni­schen Visio­närs Arrigo Sacchi. Das Kol­lektiv steht für ihn über allem. Er ist garan­tiert keiner, der für toll­kühne Expe­ri­mente steht. Soll er seine Phi­los­phie in eigenen Worten beschreiben, sagt er Sätze wie: Manche ver­trauen auf ihre magi­schen Kräfte. Ich nicht. Ich glaube an klare Orga­ni­sa­tion und ver­dammt harte Arbeit.“ Und viel­leicht ist es genau das, was diese von Ras­sismus, Sex und Gossip zer­fres­sene Natio­nal­mann­schaft Eng­lands braucht. Einen alten Hau­degen, den sie ver­stehen und dem nie­mand auf der Nase her­um­tanzt. Eine Vater­figur, zudem ob seiner Liebe für Rot­wein und Zigarren als gesel­liger Mann bekannt. Der Guar­dian“ schrieb einst, Hodgson stehe für die gute alte Zeit. Er hat Manieren, ist fein gekleidet und hat die Stimme eines ehren­haften Bank­räu­bers der sech­ziger Jahre.“

Hog­dson steht für die Sehn­sucht nach Ruhe

Und des­wegen ist Roy Hog­dson jetzt Natio­nal­trainer von Eng­land. Weil er ruhiger ist, als der auf­brau­sende Harry Red­knapp, weil er geer­deter ist als der Fein­geist Capello und weil er für fuß­bal­le­ri­sche Sen­sa­tionen steht, wie kaum ein anderer bri­ti­scher Trainer. Roy Hodgson steht für die Sehn­sucht einer Nation, die einst als Mut­ter­land des Fuß­balls Angst und Schre­cken ver­brei­tete und heute nach jedem Tur­nier als veri­table Lach­nummer nach Hause kommt. Für die Sehn­sucht nach Ruhe. Nach Ord­nung. Nach alten Werten.

Es ist toll, ein Super­model als Freundin zu haben, dazu noch viel Geld und einen Fer­rari. Aber, wenn der Schieds­richter anpfeift, helfen dir auch keine 15 Fer­raris, wenn du deine Tor­chancen ver­geigst!“ Mit diesem Hogson-Zitat ist alles über Eng­lands neuen Natio­nal­trainer gesagt. Und sollte er es schaffen, diesen Grund­ge­danken tat­säch­lich in die eng­li­sche Natio­nal­mann­schaft zu ver­pflanzen, dann ist bei der anste­henden EM auf einmal auch wieder mit den Three Lions zu rechnen.

Es wäre eine Sen­sa­tion, aber damit kennt sich der Trainer Roy Hog­dson ja bes­tens aus.