Einst war Vasil Boschkov Eigentümer von ZSKA Sofia, nun hat er den Rivalen Levski übernommen. Allein: Seit gegen ihn wegen Steuerhinterziehung und Morddrohungen ermittelt wird, fließt kein Geld mehr. Nun wollen die Fans den Verein retten.
Doch zum Jahresbeginn platzte der Traum von Levskis Comeback mit dem Geld des Schädels jäh. Das Verhängnis nahm seinen Lauf, als Boschkovs langjähriger Geschäftspartner ihm nicht nur Steuerhinterziehung vorwarf, sondern gar Morddrohungen und Vergewaltigung. Die Strafverfolgungsbehörden schienen die ungeheuren Tatvorwüfe zunächst zu ignorieren, doch die Regierung von Ministerpräsident Boiko Borissov nahm sie zum Anlass, private Lotterien gesetzlich zu verbieten. Mit dem Verbot seiner „Nationalen Lotterie” wurde Boschkov aber seine sprudelndste Geldquelle trockengelegt und der Finanzierung von Levski ihre Basis entzogen. Schließlich machte die Staatsanwaltschaft die von seinem Ex-Partner publik gemachten Tatvorwürfe doch noch zur Grundlage eines Ermittlungsverfahrens. Um sich der Strafverfolgung zu entziehen, entflog Boschkov mit seinem Privatjet in die Vereinigten Arabische Emirate (VAE).
„Wenn sie mir das Geschäft wegnehmen, habe ich kein Geld mehr für den Verein“, klagte Vasil Boschkov beim ersten und einzigen Treffen mit den Fans von Levski. Seine Hoffnung, damit die Levskaris zu Protesten unter dem Fenster von Regierungschef Borissov gegen das drohende Verbot seines Lotteriegeschäfts veranlassen zu können, erfüllten sich nicht. Ein Grund dafür mag sein, dass sich der Schädel in den elf Monaten seit der Übernahme von Levski Sofia kein einziges Mal auf der Tribüne des Geori-Asparuch-Stadions im Sofioter Stadtteil Levski hat blicken lassen. Premier Borissov empfing seinerseits eine Abordnung der Levski-Fans im Ministerrat und outete sich dabei als „kranker Levskar”. Vom Lotterie-Verbot wollte er indes nicht abrücken, er riet stattdessen den Levski-Fans, sie sollten die Aktien des Vereins und damit die Führung des Klubs selber übernehmen. Doch das ist auch in Bulgarien ziemlich unrealistisch.
Die zwei Millionen Leva (BGN), die Vasil Boschkov monatlich für Levski aufgewendet haben will, fallen mit seiner Flucht in den Nahen Osten und der Einfrierung seiner Konten in Bulgarien schlagartig weg. Um den Spielbetrieb des mit Schulden behafteten Vereins zumindest bis zum Saisonende aufrecht zu erhalten, muss der Verein jeden einzelnen Lev zusammenkratzen. Die Fans tun dazu, was sie können. Mittels einer Mobilisierungskampagne haben sie den Verkauf einiger tausend zusätzlicher Dauerkarten bewirkt und erreicht, dass die Kulisse beim Derby gegen ZSKA mit 24.687 Zuschauern so groß war wie seit langem nicht mehr. Während den neunzig ereignisarmen Spielminuten sammelten sie 42 179,25 BGN (ca. 21 000 €) für die Rettung ihres Klubs.
Vor dem Spiel zogen 5.000 Levskaris in einer Art Überlebensprozession von ihrem Vereinscafé am Boulevard Todor Alexandrov zum Stadion Vasil Levski. Unter dem Fenster des Ministerrats verfluchten sie Ministerpräsident Borissov. Am Denkmal Vasil Levskis knieten sie zu einer Gedenkminute nieder. Der Namenspatron ihres Vereins wird als Bulgariens „Freiheitsapostel“ verehrt, am 18. Februar 1872 wurde er von der Osmanischen Besatzungsmacht gehenkt.
Während die blauen Levskaris im Stadion auf jegliche Choreographie verzichteten, „um Geld zu sparen”, wie es hieß, nutzten die Rotarmisten die Gelegenheit, sich für die erlittene Kränkung vor drei Jahren zu revanchieren. Damals hatten die Levski-Fans den vom Lizenzentzug bedrohten CSKA in einer Trauerprozession mit Pope und Sarg symbolisch zu Grabe getragen. Nun zeigten die CSKA-Fans auf einem Transparent überlebensgroß ihren einstigen Eigentümer Vasil Boschkov, denn der könnte nun ungewollt als Totengräber von Levski Sofia in die bulgarische Sportgeschichte eingehen.