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Kleine Plas­tik­fähn­chen der WM-Teil­nehmer zieren die Gir­landen vor dem Wett­büro an der Ecke Sama­ri­ter­straße. Sie flat­tern leicht im Wind, der die Frank­furter Allee hin­un­ter­bläst. Es ist zehn vor vier. Ich atme noch einmal tief ein, bevor ich für die nächsten sechs Stunden hinter den blick­dicht ver­klebten Scheiben der Bet-3000-Filiale ver­schwinde. Als erstes fülle ich meinen Wett­schein aus. Schließ­lich möchte ich dazu­ge­hören. Hand­schrift­lich ist das für ein Kind des Inter­nets wie mich schwie­riger als gedacht. Ver­geb­lich suche ich in der Liste der ver­füg­baren Spiele nach den pas­senden Par­tien, bis mir eine nuschelnde Män­ner­stimme unter die Arme greift. Du willst bestimmt WM tippen, oder?“ Ich nicke. Mein Helfer hat einen dichten, grauen Bart und lange, dunkle Locken, die ihm von beiden Seiten ins Gesicht fallen. Guck mal dritte Seite.“

Sieg Eng­land und Sieg Kroa­tien, jeweils in der regu­lären Spiel­zeit, so steht es auf meinem fer­tigen Wett­schein, mit dem ich mich zwei Räume weiter an einen freien Tisch setze. Auf dem Weg dorthin habe ich die an den Wänden ange­brachten Fern­seh­ge­räte gezählt. Es sind 28. Elf von ihnen zeigen gerade die Mann­schafts­auf­stel­lung der Eng­länder. Die rest­li­chen 17 Bild­schirme sehen auf den ersten Blick aus wie Info­ta­feln an einem Flug­hafen. Bloß wird hier nicht etwa über die aktu­ellen Abflug­zeiten infor­miert, son­dern über den Halb­zeit­stand zwi­schen Schachtjor Kara­ganda und Akzhayik Uralsk (Kasach­stan) oder die aktu­ellen Quoten für Navy FC gegen Bur­iram United (Thai­land).

Betrügen die WM-Schieds­richter?

Noch ist nicht viel los. Rechts von mir sitzt eine Gruppe junger Männer. Sie trinken mit­ge­brachten Saft aus Papp­be­chern, die es neben der Kaf­fee­ma­schine gibt. Vor mir ein junger Asiate, schät­zungs­weise Anfang 20. Es ist eine seltsam schweig­same Art des Fuß­ball­gu­ckens, die sich hier abspielt. Als die Eng­länder in der 30. Minute in Füh­rung gehen, schläft einer meiner Neben­leute bereits auf seinem Stuhl. Der junge Mann vor mir zer­knüllt wortlos einen seiner Wett­scheine und besorgt sich am nicht mal eine Arm­länge ent­fernten Auto­maten sogleich einen neuen. Dieses Schau­spiel wie­der­holt sich noch einige Male, bis die 20-Euro-Scheine in seiner linken hin­teren Hosen­ta­sche langsam weniger werden. Der Papier­berg vor ihm wird dafür umso größer. Nach dem Schluss­pfiff ver­lässt er kopf­schüt­telnd den Raum und setzt sich an einen Glücks­spiel­au­to­maten. Ein Mit­ar­beiter des Wett­büros geht durch die Reihen und räumt das ver­spielte Geld von den Tischen.

In der Hoff­nung, dass es im Ein­gangs­be­reich etwas ereig­nis­rei­cher zugeht, wech­sele ich für das zweite Spiel meinen Platz. Ich setze mich auf eine Bank neben der offenen Ein­gangs­türe und genieße den leichten Durchzug. Der nuschelnde Mann mit den Locken sitzt immer noch da. Wir kommen ins Gespräch. Und, wer macht’s? Russ­land oder Kroa­tien?“, will ich wissen. Ivo, der seinen rich­tigen Namen nicht genannt wissen will, gibt sich skep­tisch. Er wit­tert Betrug. Wenn ein Süd­ame­ri­kaner pfeift, kommt Russ­land weiter.“ Tat­säch­lich ist der Unpar­tei­ische an diesem Abend ein Bra­si­lianer.