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Seite 2: Wütende Öffentlichkeit

Beson­ders wütend war die Öffent­lich­keit nach Inters zweitem Erfolg im Pokal der Lan­des­meister in Folge. Am 27. Mai 1965 hatten die Ita­liener das Glück, das Finale gegen Ben­fica vor eigenem Publikum bestreiten zu können. Auf einem durch Dau­er­regen fast unbe­spiel­baren Rasen ging Inter in Füh­rung, als der geg­ne­ri­sche Tor­wart einen harm­losen Schuss durch die Hände gleiten ließ. Nach dem Wechsel ver­letzte sich jener Keeper auch noch. Weil man damals nicht aus­wech­seln durfte, spielte Ben­fica die letzten 32 Minuten in Unter­zahl. Und was taten die Gast­geber? Wie das Sport-Magazin“ empört schrieb: Inter baut seinen Riegel vor dem Straf­raum auf, lässt neun Por­tu­giesen anrennen.“

Heute würden viele Leute das ver­mut­lich nicht als ver­werf­lich bezeichnen, son­dern als ver­nünftig. Warum hätte Inter auf einem solch tücki­schen Boden nach vorne spielen sollen, anstatt gegen einen immer müder wer­denden Gegner auf Konter zu lauern? Um dem Publikum zu gefallen? Nein, Her­rera hatte den Inter-Tifosi von Anfang an erklärt, worum es hier ging und was sie zu erwarten hatten: Nur das Ergebnis zählt, und zwar das posi­tive“, sagte er. Wer das nicht begreift, muss schei­tern.“

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1965: Her­rera zeigt aus­län­di­schen Kol­legen seine Trai­nings­me­thoden.

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Der Skla­ven­treiber

Er wusste, wovon er sprach. Ers­tens hatte ihm sein Chef einen ein­deu­tigen Auf­trag gegeben. Dieser Chef war der Ölma­gnat Angelo Mor­atti, seit 1955 Prä­si­dent von Inter. Obwohl er sich gut mit dem Welt­mann Her­rera ver­stand, hatte seine Geduld ihre Grenzen. Dem Ver­nehmen nach stellte er seinem Trainer im Sommer 1962 ein Ulti­matum: Titel oder Lauf­pass. Das wäre ihm durchaus zuzu­trauen, denn Mor­atti war min­des­tens so ein Dick­kopf wie sein lei­tender Ange­stellter.

So galt Her­rera als totaler Dis­zi­plin­fa­na­tiker und wurde in der Presse schon mal Skla­ven­treiber“ genannt. Gna­denlos sor­tierte er jeden aus, der sich ihm nicht unter­warf. Bezeich­nend war der Tag im August 1961, als er seine Spieler im Umland von Mai­land zur Lauf­ein­heit bat. Her­rera schärfte ihnen ein, dass sie die Strecke in einer bestimmten Zeit zu schaffen hatten. Drei Spieler, dar­unter der Spa­nier Luis Suárez, für den Inter gerade die Welt­re­kord­summe von 250 Mil­lionen Lire an Bar­ce­lona gezahlt hatte, bekamen Pro­bleme mit dem Tempo. Als sie schnau­fend den Park­platz erreichten, stellten sie erleich­tert fest, dass der Mann­schaftsbus auf sie gewartet hatte. Die drei ver­lang­samten ihre Schritte, um zu Atem zu kommen, und waren nur noch einige Meter vom Bus ent­fernt, als Her­rera die Tür schloss. Der Bus rollte davon, Suarez und seine zwei Mit­spieler mussten zehn Kilo­meter zu Fuß laufen, um in die Stadt zu kommen.

Doch nicht jeden brachte Her­rera zur Räson. Inters Links­außen Mario Corso, den die Tifosi Gottes linken Fuß“ nannten, trieb seinen Trainer zur Weiß­glut, weil er oft die Diva raus­hängen ließ. Lie­bend gern hätte Her­rera ihn zum Teufel gejagt, doch Mor­atti hatte einen Narren an Corso gefressen und blieb stur. Der Stürmer war schon da, als Her­rera 1960 zu Inter kam, und er war auch noch da, als Her­rera acht Jahre später wieder ging.