Heute Abend trifft Bayern München auf Benedikt Höwedes’ Ex-Klub Lokomotive Moskau. Im Interview erklärt der Weltmeister, warum sich Lok hinten reinstellen wird und wie es sich als Veganer in Russland lebt.
Angeblich war der Lok-Mannschaftskoch aber fassungslos, als er von Ihrem Ernährungsstil erfuhr.
Das stimmt. „Wo willst du denn die Kraft hernehmen, wenn du kein Fleisch isst?“, hat er mich gefragt. In Russland gibt es kaum Veganer. Da wird sehr viel Fleisch gegessen. Teilweise habe ich dann selbst vorgekocht und mein Essen mitgebracht. Generell hatte ich den Eindruck, dass man im russischen Fußball in vielen Dingen altmodischer aufgestellt ist und sich nicht so mit neuen Ideen auseinandersetzt.
Stichwort Verletzungen – insbesondere die Spielpläne der Spitzenklubs sind wegen Corona randvoll. Experten rechnen mit einem Anstieg der Verletzungen.
Es ist schon mal sehr hilfreich, dass fünfmal ausgewechselt werden kann. Ich hoffe und gehe auch davon aus, dass die Vereine auf die besondere Situation reagieren und den Spielern Pausen geben. Generell muss man ja sagen: Niemand hat es sich ausgesucht, dass es jetzt so extrem viele Spiele gibt. Wir sollten froh sein, dass überhaupt Fußball gespielt werden kann und müssen das Beste aus der momentan schwierigen Situation machen.
Sie selbst haben berichtet, am Ende Ihrer Zeit auf Schalke für jedes Spiel „fit gespritzt“ worden zu sein, um trotz eines Leistenbruchs spielen können.
Wenn ich mich gleich hätte operieren lassen, wäre mir wahrscheinlich später einiges erspart geblieben. Aber der Druck von Vereinsseite war natürlich groß, dass man spielt. Bei kleineren Wehwehchen mag das ja okay sein. Man muss da von Fall zu Fall unterscheiden und sollte den Spielern mehr Gehör schenken.
Wird das aus Sicht der Fußballprofis beherzigt, auch oder gerade jetzt in Corona-Zeiten? Sie sind noch Mitglied des Spielerrats der Vereinigung der Vertragsfußballer.
Anfangs, als die Pandemie ausbrach, ist von Spieler-Seite schon Kritik aufgekommen – weil vieles über ihre Köpfe hinweg entschieden worden ist und letztlich doch alles auf ihre Kosten ausgetragen wird.
Sie haben Ihre Karriere im Sommer beendet. Welche Rolle spielte dabei die Corona-Pandemie und die Folgen für den Profifußball?
Absolut größter Grund war meine Familie, mein kleiner Sohn. In der Zeit in Moskau habe ich leider nicht viel von ihm gehabt. Da waren die Corona-Zeiten vielleicht ein Wink mit dem Zaunpfahl. Es ist schon schwer, auf diesen Moment zu verzichten, in einem ausverkauften Stadium aufzulaufen. Das pusht dich auch nach vielen Jahren noch als Spieler. Die Geisterspiele haben mir die Entscheidung leichter gemacht und mich darin bestärkt, einen Schlussstrich zu ziehen.
Sie arbeiten jetzt als TV-Experte für Sky, haben als Ex-Spieler einen anderen Blickwinkel, verfügen über Insider-Wissen. Stichwort Hansi Flick. Den kennen Sie aus Ihrer Zeit bei der Nationalmannschaft gut. Hätten Sie ihm zugetraut, den FC Bayern München als Trainer in solche Höhen zu führen?
Ich denke, dass niemand vorher wusste, welche Cheftrainer-Qualitäten Hansi Flick mitbringt. Es war bekannt, dass er sehr empathiefähig ist und einen sehr guten Zugang zu den Spielern hat. Das setzt er bei den Bayern jetzt super ein. Hier geht es vor allem darum, die Jungs, die alle hochbegabt sind, zueinander zu bringen. Sein großer Vorteil ist: er musste dafür keine Basis aufbauen. Neuer, Boateng, Müller, Goretzka – alle kannte er schon von der Nationalmannschaft. In der Zeit als Co-Trainer bei Bayern konnte er diesen Vorteil noch verfestigen. Er hatte bei seinem Start als Chef-Trainer gleich einen Stamm an Spielern, die für ihn brannten. Und das hat er perfekt genutzt.