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Bei der Jagd ver­zichtet ein Puma auf allzu pom­pöse Auf­tritte. In der freien Wild­bahn schleicht er sich leise an sein Opfer heran, um es dann mit einem blitz­ar­tigen Sprung auf den Rücken kampf­un­fähig zu machen. Kein Gebrüll, keine Ver­fol­gungs­jagd, kein Kampf. Ein Puma schleicht, springt und siegt. Als Fabio Canna­varo am 07. März 2006 um 22.28 Uhr auf­ge­regt »Puma! Puma! Puma!« durch den Sechs­zehn­me­ter­raum des Turiner »Stadio delle Alpi« brüllte, bewahrte er seine Mit­spieler aber nicht vor dem Angriff einer mit­tel­großen Raub­katze.



Canna­varo wurde viel­mehr zum Weg­be­reiter des Euro­pa­po­kal­traumas von Bre­mens Tor­hüter Tim Wiese. Wiese hatte bis zu jenem Zeit­punkt sein bestes Spiel auf inter­na­tio­naler Bühne gezeigt. Zwei Minuten vor dem Ende stand es 1:1. Werder hatte die Sen­sa­tion vor Augen und konnte Juventus Turin, den amtie­renden ita­lie­ni­schen Meister, aus der Cham­pions League werfen. Wiese sprang in eine harm­lose Flanke, pflückte den Ball aus der Luft. Alle Spieler drehten ab. Alltag. Tau­send Mal trai­niert. Doch der Bremer Tor­hüter rollte sich thea­tra­lisch ab, die Kugel rutschte aus der Umklam­me­rung, tropfte auf den feuchten Boden. Dann schrie Canna­varo nach »Puma«. Emerson Fer­reira da Rosa, kurz Emerson, noch kürzer »Puma«, drehte sich nur einen Wim­pern­schlag später geis­tes­ge­gen­wärtig um, hielt seinen rechten Fuß gegen den Ball und wurde zu Bre­mens Alb­traum. 2:1. Werder Bremen war im Ach­tel­fi­nale aus­ge­schieden. Wiese wird später mit leerem Blick stam­meln: »Ich frage mich, warum ich aus­ge­rechnet Tor­wart werden wollte.« Der »Puma« hatte wieder einmal zuge­schlagen – heim­lich, still und leise. So wie sein Kol­lege in freier Wild­bahn.

Capellos Chef­stra­tege

1997 wech­selte Emerson von Gremio Porto Alegre nach Lever­kusen. Der ruhige, fast schüch­tern wir­kende Bra­si­lianer mit der hohen Stirn wurde schnell zur zen­tralen Figur im Mit­tel­feld der Werkself und war maß­geb­lich am sport­li­chen Auf­stieg des Ver­eins betei­ligt. Trotz begeis­ternder Spiel­an­lage reichte es für die Mann­schaft aber den­noch nie zum großen Wurf. Nachdem Bayer in der Saison 99/00 am letzten Spieltag in Unter­ha­ching die sicher geglaubte Meis­ter­schaft noch aus den Händen gab, konnte selbst der sonst so beson­nene Emerson nicht mehr an sich halten. Was manche schlichtweg als Pech bezeich­neten, fasste der Bra­si­lianer in wenige Worte: Lever­kusen werde nie etwas gewinnen, gab er frus­triert zu Pro­to­koll. Eine bit­tere Bilanz nach zwei Vize-Meis­ter­schaften. Ein »Puma« kennt eben keine Nie­der­lage, er kann nur siegen.

Nach der Saison wech­selte er für 20 Mil­lionen Mark zum AS Rom und traf dort auf Fabio Capello, dem Trainer, dem er fortan auf Schritt und Tritt durch den Welt­fuß­ball folgte. In Ita­lien wurde Emerson, wegen seiner Art Fuß­ball zu spielen, geliebt. Seine größte Stärke: Er konnte bevor­ste­hende Gefahren im Voraus zu erahnen. Er störte den Gegner im rich­tigen Moment und konnte so das Unheil ver­hin­dern, das andere noch nicht einmal nach der zweiten Video­ana­lyse erkennen konnten. Wie kaum ein anderer schaffte es Emerson, Sta­bi­lität in die Defen­sive seiner jewei­ligen Mann­schaft zu bringen. Die Ruhe, seine stra­te­gi­schen Fähig­keiten und seine Intel­li­genz machten ihn zeit­weise zu einem der begehr­testen Mit­tel­feld­spieler Europas. Doch auch das Pech ist ein zen­traler Bestand­teil von Emer­sons Lauf­bahn. So schied er 2002 kurz vor Beginn der Welt­meis­ter­schaft aus, weil er sich im Abschluss­trai­ning schwer an der Schulter ver­letzte und ver­passte so den WM-Tri­umph der Sel­ecao. Nach vier erfolg­rei­chen Jahren in Rom wech­selte Emerson 2004 zusammen mit Capello zu Juventus Turin. Die beiden Meis­ter­schaften, die sie zusammen holten, wurden dem Verein aller­dings im Zuge des Wett­skan­dals aberkannt. Nachdem Juventus dar­aufhin zwangs­weise in die Seria B absteigen musste, ver­ließen 2006 zahl­reiche Stars den Verein. Capello und Emerson gingen mal wieder zusammen. Diesmal zu Real Madrid.

Holz­schuh­tanzen auf der Bal­lett­bühne

Doch in Madrid hatte Emerson vom ersten Tag an einen schweren Stand. Die Fans mochten den Bra­si­lianer nicht. Er passte mit seiner unauf­fäl­ligen, unspek­ta­ku­lären Art nicht in das Bild, das die Anhänger vom Fuß­ball der »König­li­chen« hatten. Das könig­liche Spiel hat stets anmu­tend, schön und leicht zu sein – ein biss­chen wie Bal­lett. Emer­sons Spiel wirkte steif und kühl – ein biss­chen wie Holz­schuh­tanzen in der Dorf­disco. Capello hielt an ihm fest. Schließ­lich war Emerson sein ver­län­gerter Arm auf dem Feld, sein Chef­stra­tege. Einmal sagte Capello über Emerson: »Kein Spieler bringt so viel Gleich­ge­wicht und Erfah­rung ins Spiel ein.« Doch Emer­sons Auf­tritte in »Ber­nabeu« ver­kamen immer mehr zum Spieß­ru­ten­lauf. Die Fans pfiffen den behäbig wir­kenden Bra­si­lianer gna­denlos aus. Als Emerson dann in einer Cham­pions League Partie gegen Bayern Mün­chen seine Ein­wechs­lung ver­wei­gerte, war das Tuch end­gültig zer­schnitten. Kurz daraus wurde öffent­lich, dass er mit Capello einen Pakt geschlossen hatte: Emerson wollte nie wieder in einem Heim­spiel ein­ge­setzt werden. Der »Puma« traute sich nicht mehr aus seinem Ver­schlag. Er hatte Angst vor dem Madrider Publikum.

Am Ende der Saison wurde Fabio Capello ent­lassen und auch Emerson flüch­tete aus Spa­nien in die warme Alt­herren-Resi­denz des AC Mai­land. Doch auch bei Milan mochte Emerson nicht mehr zu alter Stärke zurück­finden. Emer­sons Körper begann öfter zu streiken, und auch seine Psyche hatte nach den Vor­komm­nissen in Madrid ganz offen­sicht­lich gelitten. Seine Kör­per­hal­tung wurde geduckter, sein Gewicht größer. Seine immer lang­samer wer­denden Bewe­gungen wurde immer mehr zu einem aktiven Ver­ste­cken. In zwei Spiel­zeiten kam der »Puma« nur noch auf küm­mer­liche 27 Sai­son­spiele.

In dieser Woche ver­kün­dete der 33-jäh­rige Emerson, dass sein Ver­trag beim AC Mai­land auf­ge­löst wird. Heim­lich, still und leise schleicht der »Puma« also davon. Ob er aber jemals wieder angreifen wird, ist unge­wiss.