Die Glasgow Rangers sind pleite, es droht gar die Insolvenz. Doch die Fans haben ihren Klub noch nicht aufgegeben. Einer von ihnen ist Alexander Reid, der die Rangers seit über elf Jahren auswärts begleitet. Ein Gespräch über Aufstieg und Untergang der Rangers.
Alexander Reid, Sie sind 33 Jahre alt, leben in der Nähe von Frankfurt und begleiten die Glasgow Rangers seit Jahren bei internationalen Spielen. Wie kommt man dazu?
Alexander Reid: Meine Familie kommt aus Schottland. Und wenn man in Glasgow wohnt, kommt man um die Rivalität zwischen Celtic und den Rangers nicht herum. Mein Vater war schon immer Rangers-Fan und ging bereits jahrelang in den Ibrox-Park. Als ich acht Jahre alt war, habe ich mich dann ebenfalls in die Rangers verliebt. Ich versuche den Klub bei jedem Auswärtsspiel in Europa zu begleiten und meine Besuche bei der Familie in der Heimat richten sich immer nach dem Spielplan. Seit elf Jahren verbringe ich den Jahresurlaub in Schottland, um Spiele der Mannschaft sehen zu können.
Sie haben bei Ihren Besuchen in der Heimat schon das eine oder andere Derby miterlebt. An welche Begegnung erinnern Sie sich am liebsten?
Alexander Reid: Das war 1997. Man muss dazu wissen, es ist fast unmöglich ist, an Tickets für ein „Old Firm“ zu kommen. Ungefähr 80 Prozent der Fans waren damals Dauerkarteninhaber, die restlichen Karten wurden an die Fanklubs verteilt, die wiederum die Karten verlost haben. Ich hatte keine Tickets für das Derby, habe aber einen Taxifahrer kennengelernt, der mir dann Tickets für das Derby besorgen konnte. Die Atmosphäre war unbeschreiblich. In den ersten 15 Minuten bekam man eigentlich nichts vom Spiel mit. Aber das muss man auch gar nicht, wie mich das Beispiel der „Kray-Twins“ gelehrt hat.
Die Räuberbrüder, die in den Fünfziger und Sechziger Jahren London in Angst und Schrecken versetzten?
Alexander Reid: Das sind zwei Rangers-Fans, die in der Fanszene nach den berühmten Zwillingen benannt sind. Auf dem Weg zum Stadion wurden sie von einem Taxi beinahe angefahren und während der eine nur fluchte, trat der andere gegen das Auto. Die beiden wurden dann von der Polizei mitgenommen und mussten die Nacht in der Zelle verbringen. Da war ein Trakt voller Celtic-Fans, der andere voller Anhänger von den Rangers. Die haben sich gegenseitig hochgepusht und die ganze Nacht durchgesungen. Die Jungs erzählten mir danach, das sei das beste Derby gewesen, dass sie je erlebt hätten. Obwohl sie es nicht mal gesehen hatten.
Welches war denn das schönste Spiel, das Sie jemals besucht haben?
Alexander Reid: Das UEFA-Cup-Finale 2008 gegen Zenit St. Petersburg in Manchester. Vor dem Viertelfinale gegen Sporting Lissabon habe ich zu meinem Vater gesagt: „Wenn wir es ins Finale schaffen, müssen wir dabei sein.“ Auch weil er 1972 schon beim 3:2‑Sieg der Rangers gegen Dynamo Moskau im Pokalsieger-Finale in Barcelona mit dabei war. Wir haben dann erst Sporting und im Halbfinale den AC Florenz besiegt. Die Kartenkontingente für das Finale wurden damals aber zugelost, wir hatten Pech.
Wie kamen Sie dann noch an die Tickets?
Alexander Reid: Bei Ebay wurden horrende Preise aufgerufen. Ich habe einen der Verkäufer, der 1500 Euro für zwei Tickets haben wollte, angerufen. Ich bettelte ihn an, mir die Tickets günstiger zu verkaufen und hatte Glück. Der Typ war Bayern-Fan, die waren aber schon ausgeschieden. Also verkaufte er mir die Tickets für die Hälfte des Preises. Das Problem war dann, kurzfristig einen Flug zu bekommen. Also zahlten wir am Ende doch jeder 1500 Euro, um uns diesen Traum zu verwirklichen.
Hat es sich gelohnt?
Alexander Reid: Es war eine außergewöhnliche Stimmung in der Stadt, weil etwa 200.000 Anhänger der Rangers gekommen waren, die aber natürlich alle keine Tickets hatten. Die Bedingungen rund um das Spiel waren katastrophal, die Anreise war eine Tortur. Aber als wir das Stadion betraten, war das alles Geschichte. Ich habe vorher noch in einer Fahne gehüllt am Flughafen geschlafen. Da haben wir sogar Mirko Slomka getroffen, der das Spiel für Sat.1 kommentieren sollte. Armer Slomka.
Warum?
Alexander Reid: Wir hatten kaum geschlafen und die ganze Nacht lang Rangers-Videos geguckt. Und weil ich noch leicht alkoholisiert war und man dann eben lockerer ist, habe ich mich getraut, ihn anzusprechen. Plötzlich standen zwei Typen im Rangers-Trikot vor ihm. Er rechnete wohl nicht damit, dass ich ihn im akzentfreien Deutsch ansprechen würde. Ich habe ihn nach seiner Meinung zum Spiel gefragt und zu seiner Situation, weil er gerade wegen einer 1:5‑Niederlage gegen Bremen bei Schalke entlassen worden war. Ein sehr sympathischer Typ.
Gab es auch ein Spiel der Rangers, auf dass Sie gerne verzichtet hätten?
Alexander Reid: Das war der Ausflug mit meiner Freundin zum Auswärtsspiel gegen NK Maribor im August 2011. Die Hinfahrt mit dem Zug dauerte acht Stunden und dann diese Enttäuschung! Maribor ist eine Micky-Maus-Mannschaft und wir fliegen gegen die aus der Qualifikation für die Europa-League raus!
Aktuell muss es schwer sein, Rangers-Fan zu sein. Dem Klub droht die Insolvenz.
Alexander Reid: Noch sind wir nicht insolvent. Wir müssen bis Mai jeden Monat eine Million Pfund sparen. Deswegen haben sich die Spieler nach einer Woche Verhandlungen darauf eingelassen, auf 25 bis 75 Prozent ihres Gehalts zu verzichten. Je nachdem, wie gut sie verdienen. Der Spielbetrieb ist so bis zum Ende der Saison garantiert, was erst nicht sicher war.
Aber wie wird es danach weitergehen?
Alexander Reid: Wir hätten finanziell keine Probleme, wenn wir in der Premier League spielen könnten, so wie die Waliser von Swansea City. Aber das wollen einige Vereine nicht. Die haben Angst, dass wir ihnen etwas wegnehmen. Im Moment weiß keiner, wie hoch die Steuerschulden des Vereins wirklich sind. Und solange das nicht geklärt ist, wird auch keiner der interessierten Investoren den Verein übernehmen.
Was könnte dem Klub helfen?
Alexander Reid: Wichtig wäre, dass der aktuelle Präsident, Craig Whyte, den Verein verlässt. Dieser Mann hätte niemals die Kontrolle übernehmen dürfen. Der hat den Verein nur gekauft, um daran zu verdienen und gehört eigentlich in den Knast dafür, dass er die Rangers in diktatorischer Manier heruntergewirtschaftet hat.
Was passiert, wenn der Klub nicht mehr zu retten ist?
Alexander Reid: Dann würden wir aufgelöst werden. Das hieße, dass wir uns neu gründen müssten und dann auch die bisherigen Erfolge quasi gelöscht werden. Das kann ich mir bei unserer Geschichte aber einfach nicht vorstellen. Wir haben immerhin weltweit Fans.
Sie wohnen in der Nähe von Frankfurt und haben sich die Eintracht als Ersatz-Verein ausgesucht. Was vermissen Sie dort, was Ihnen nur die Rangers geben?
Alexander Reid: Ich vermisse die Derby-Stimmung, den Hass, der daraus in einer Stadt wie Glasgow entsteht. Aber das können nur Menschen verstehen, die selbst in einer solchen Stadt aufgewachsen sind.