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Seite 2: Von Dieter Hoeneß bis Fredi Bobic – Gerhard Wörn sah sie kommen und gehen

Seitdem hat er dreißig Trainer kommen und gehen sehen, Huub Ste­vens und Armin Veh waren sogar zwei Mal da. Er sah Spieler als Aktive abdanken, als Manager oder Übungs­leiter zurück­kehren – und erneut von der Bild­fläche ver­schwinden. Ange­fangen bei Dieter Hoeneß über Hansi Müller, Karl­heinz Förster, Markus Babbel, Thomas Schneider, Fredi Bobic bis hin zum aktu­ellen Vor­stands­boss Thomas Hitzl­sperger.

Und fragt man ihn nach einem, mit dem es beson­ders Spaß gemacht oder der ihn gepie­sackt habe, bereitet ihm seine Inte­grität fast kör­per­liche Schmerzen. Er will keinen ver­gessen oder einem ein Denkmal bauen. Und doch fehlen Wörn im flüch­tigen Pro­fi­busi­ness Typen wie Ger­hard Mayer-Vor­felder, der den VfB mit jeder Faser ver­kör­perte und sein Amt an der Klub­spitze stets voller Stolz aus­ge­füllt habe.

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Das Pokal­sie­ger­team 1997 mit Fredi Bobic hält Wörn für die VfB-Elf mit dem größten fuß­bal­le­ri­schen Poten­tial in seiner Ära.

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Natür­lich hatte er seine Spezis. Mat­thias Sammer etwa, der wie der Physio im Jahr der Wie­der­ver­ei­ni­gung zum VfB kam. Der Dresdner for­derte ihn wegen seiner Weh­weh­chen nicht nur fach­lich, son­dern erwei­terte als Über­siedler aus der DDR auch dessen Hori­zont. Oft waren es Füh­rungs­spieler, Männer mit eigener Mei­nung, zu denen er Nähe auf­baute: Mar­celo Bordon, Zvo­nimir Soldo, Frank Ver­laat und last but not least Mario Gomez.

Wörns Heil­für­sorge schließt das See­len­heil mit ein. Es geht ihm bei der Arbeit auch darum, zu inspi­rieren und inspi­riert zu werden. Wenn er das Gefühl hat, es könnte passen, erzählt er Spie­lern vom neuen Buch von Richard David Precht, um eine Dis­kus­sion über künst­liche Intel­li­genz anzu­fangen. Er kennt die Bezie­hungs­dramen der Profis, die düs­teren Gedanken, wenn der Hei­lungs­pro­zess stockt, die Fehl­tritte, die auch der Trainer nie erfahren darf und auch die Luxus­träume der Jung­mil­lio­näre. Wenn einer fragt, ob er sich einen Sport­wagen kaufen soll, und ich das Gefühl habe, er kann es sich hin­sicht­lich seiner Ent­wick­lung und finan­ziell leisten, soll er es doch tun“, so Wörn. Auch damit er so einen Kauf ein­ordnen kann und nach drei Wochen viel­leicht fest­stellt, mehr als ein fahr­barer Unter­satz ist auch so eine Karre nicht.“

Von großen Titeln zum schlei­chenden Nie­der­gang

Wie aber erklärt er sich einer den schlei­chenden Nie­der­gang des VfB, der in seiner Zeit vom Meis­ter­schafts­aspi­rant zur Fahr­stuhl­klug geworden ist? Der Erfolg einer Mann­schaft sei nicht bere­chenbar, glaubt Wörn. Er ent­stehe aus dem Gefühl, dass der eine den anderen ergänzt – so unter­schied­lich die Typen auch seien – und aus diesem Gemein­schafts­sinn würde sich eine Kraft ent­wi­ckeln, die von Leich­tig­keit getragen sei. Oft brauche es nur einen Funken, um alles und jeden von jetzt auf gleich zu befeuern. In Erfolgs­zeiten seien stets Typen dabei gewesen, die sich für den Klub krumm­ge­legt hätten. Denen es ein per­sön­li­ches Anliegen gewesen sei, für den VfB Erfolge ein­zu­fahren. Der Klub sei aber leider nie in der Lage gewesen, das vor­han­dene Leis­tungs­ver­mögen zu kon­ser­vieren. Nach jedem großen Titel wurden Top­spieler ver­kauft, wes­halb nie das Fun­da­ment zur Fort­schrei­bung einer Erfolgs­ge­schichte gelegt wurde: Der VfB musste immer wieder bei Null beginnen“, so Wörn. Risi­ko­freu­diges Inves­tieren war damals mit der schwä­bi­schen Men­ta­lität offenbar nicht kom­pa­tibel.“

Rente? – Viel­leicht

Auch die kom­mende Saison wird ein Kampf gegen den Abstieg. Im Januar 2021 könnte er in Rente gehen, die Spiel­zeit aber will er auf jeden Fall noch zu Ende machen. Wörn denkt oft dar­über nach, wie sein Leben außer­halb des Fuß­balls aus­sehen könnte. Seit 30 Jahren hängt sein Leben von den Launen der Trainer ab. Egal, ob am Sonn­tag­morgen um 7 Uhr oder am Don­nerstag nach Son­nen­un­ter­gang – Wörn war immer schon da, wenn das Team auf den Platz trabte.

Was aber würde ihn reizen? Viel­leicht schnappe ich mir einen Ruck­sack und laufe ein­fach los“ sagt Wörn, so ein biss­chen Jakobsweg light. Mal sehen, was es mit mir und meinem Kopf macht.“ Noch hat er nicht ent­schieden, ob er wirk­lich Schluss macht. Sicher aber ist, Ger­hard Wörns per­sön­li­cher Jakobsweg fängt direkt hin­term Cannstatter Wasen an.