In Dortmund bricht der Haaland-Hype aus. Doch wer ist dieser angebliche Wunderstürmer und wo kommt er her? Unser Kollege aus Skandinavien erklärt: Der neue BVB-Star war mal kleinwüchsig und trifft nun auch für die Rentenkasse des Landes.
Für viele Norweger geht nichts über die Premier League. Der englische Fußball wurde schon seit den sechziger Jahren im Fernsehen übertragen und begeistert seitdem die Fangemeinde. Andere Ligen hatten da einfach keine Chance. Die Bundesliga wurde zeitweise sogar komplett ignoriert, weil niemand die Rechte kaufen wollte.
Wenn sich nun Erling Braut Haaland einem Verein aus der Bundesliga anschließt, sorgt der Wechsel zunächst einmal für Erstaunen bei den vielen Anhängern von Manchester United und anderen Premier-League-Fans in Norwegen. Aber der Transfer scheint genau der richtige Schritt für die große Sturmhoffnung des Landes zu sein. Und vielleicht steigert er auch das Renommee der Bundesliga.
Karriere von langer Hand geplant
Im vergangenen Herbst war der 19-Jährige die heißeste Ware auf dem internationalen Transfermarkt. Seine Tore in der Champions League bestimmten auf der ganzen Welt die Schlagzeilen. Wenig überraschend wurde Haaland auch deswegen am vergangenen Samstag auf der norwegischen Sportgala zum „Newcomer des Jahres“ gekürt. Seine Karriere allerdings begann nicht gerade plötzlich, sondern wurde von langer Hand geplant.
Bei genauerer Betrachtung war er immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort. In früher Kindheit startete Haaland in der Jugend von Bryne FK. Sein Vater Alf Inge Haaland hatte hier ebenfalls gespielt, bevor er in der Premier League bei Nottingham Forest, Manchester City und Leeds United groß rausgekommen war. Haaland junior spielte bereits im Alter von sechs Jahren mit älteren Kindern in einer Gruppe, die von Beginn an mehr wollte: 40 Spieler blieben fast über ein Jahrzehnt lang zusammen, die Hälfte von ihnen schob damals schon Sonderschichten neben den regulären Einheiten.
Er trainiert früh mit Älteren
Erling Braut Haaland gehörte natürlich dazu, schon damals mit besonderem Eifer ausgestattet. Er und gleich vier andere seines Jahrgangs wurden später Profis. Normalerweise schafft es in Norwegen gerade ein Akademieschüler aus 350 in die erste Liga. Diese Statistik macht die Gruppe um Haland so besonders. Jugendtrainer Alf Ingve Berntsen verriet der Zeitung „Stavanger Aftenblad“ einmal: „Er war gleich vom ersten Tag an der Beste und konnte sich auch immer höheren Aufgaben stellen.“ Haalands Schlüsseleigenschaften seien sein Siegeswille, seine Furchtlosigkeit und hohe Arbeitsmoral gewesen, sagte der Coach.
Doch Haaland wies eine Schwäche auf: Sein Körper war bei weitem nicht so ausgebildet wie heute. Mit 1,94 Meter ist der Stürmer nun hoch aufgeschossen, doch das war nicht immer der Fall. Sein früherer Teamkollege Tord Salte sagte: „Er war immer sehr gut, hatte Talent. Ich spielte im Mittelfeld direkt hinter ihm und legte ihm die Bälle auf. Er hatte ein gutes Timing und wusste, wann er hinter die Kette laufen musste. Aber er war sehr schmächtig.“ Mit 14 Jahren war Salte noch ein ganzes Stück größer als Haaland gewesen, heute überragt ihn Haland um zehn Zentimeter.
Als Haaland mit 15 Jahren in der zweiten Mannschaft von Bryne FK debütierte, musste er vor allem physisch seine Lektionen im Erwachsenenfußball lernen. „Die anderen waren größer, schneller und stabiler als er“, erinnert sich sein Jugendtrainer Berntsen. „Er musste intelligenter spielen und den Raum um ihn herum gut nutzen. Noch heute macht er die richtigen Bewegungen im Strafraum, um sich Platz zu verschaffen. Diese Stärke rührt aus dieser Zeit.“
Haaland machte seinen Weg in der zweiten Mannschaft und traf plötzlich, wie er wollte. Noch vor seinem 16. Lebensjahr wurde er für die erste Mannschaft nominiert. Sein Profidebüt feierte er am 12. Mai 2016, als er in den letzten 20 Minuten eingewechselt wurde. Doch Bryne musste in dieser Saison absteigen und auch Haaland traf in seiner Rolle als Joker nicht. Das hielt aber Molde FK und deren Trainer Ole Gunnar Solskjaer nicht davon ab, Haaland unter Vertrag zu nehmen. Zu jener Zeit soll auch die TSG Hoffenheim die Fühler nach ihm ausgestreckt haben, berichten norwegische Medien.
Er will unbedingt zu Solksjaer
Doch Haland faszinierte die Vorstellung, vom norwegischen Sturmhelden Solksjaer zu lernen. Gleich in seiner fünften Partie für Molde knipste er dann auch. Im anschließenden TV-Interview sagte Haaland: „Ich will wie Ole werden. Ein Goalgetter in einer der größten Ligen. Er kann mich da hin führen, ich nehme jeden Tag etwas Neues von ihm mit.“
Solksjaer konnte das Lob nur zurückgeben. Gegenüber „Romsdal Budstikke“ meinte er, dass sein Schützling wie ein Bessesener trainiere und er ihn sogar von den Extraschichten abhalten müsse. „Die Physios müssen ihn stoppen, damit er sich auch mal ausruht.“ Noch vor seinem 18. Geburtstag machte Haaland europaweit von sich reden, als er im Spiel gegen SK Brann vier Tore in 17 Minuten schoss.
Vier Tore in 17 Minuten
Die Gerüchteküche begann zu brodeln, Juventus Turin war ernsthaft an einer Verpflichtung interessiert. Doch Haland entschied sich für RB Salzburg, wo er anfangs noch keine Chance auf einen Stammplatz hatte. Erst mit Beginn der Saison 2019/20 änderte sich seine Situation – und wie!
In sechs Champions-League-Spielen traf er acht Mal; in der Liga kam er auf 16 Tore in 14 Spielen. Unzählige Klubs buhlten um den Youngster, doch die Entscheidung für den BVB ergibt gerade in Anbetracht seiner bisherigen Karriere durchaus Sinn. Die Dortmunder haben bereits bewiesen, dass sie viele junge Talente zu Stars entwickeln können. Außerdem kann Haaland von Beginn an darauf setzen, dass der Klub auf ihn setzt: Er wird direkt seine Einsatzzeiten bekommen.
Haaland kann Dortmunds Probleme lösen
Borussia Dortmund kann sich auf einen Vollblutstürmer freuen, der so manches Problem aus der Hinrunde zu lösen vermag. Bisher haben die Borussen sehr viele und auch gute Flanken in den Strafraum geschlagen, doch mit Haland wird diese Offensive eine ganz andere Gefahr ausstrahlen. Der Norweger bringt die Energie und Entschlossenheit für Vollgasfußball über neunzig Minuten mit. Er kann außerdem den Ball halten und verteilen, wenn seine Mannschaft nachrückt.
Und die Norweger können zu guter Letzt auch sehr viel Freude am Transfer entwickeln. Schließlich hält die norwegische Rentenkasse Anteile beim BVB. Also sichert Haaland mit jedem Treffer den Norwegern auch ein bisschen ihre Pension.