Er könnte längst bei einem der ganz großen Vereine spielen. Doch William Carvalho bleibt Sporting Lissabon treu. Aus einem ganz einfachen Grund.
Dann kam Benfica Lissabon. Der größte Verein des Landes. Der Verein, dem laut einer Studie der Uefa 47 Prozent aller Portugiesen die Daumen drücken. Nur eben die Familie Carvalho nicht. Und so sagte der kleine William freundlich „não“, nein, und wartete. Darauf, dass der richtige Verein sich bei ihm melden würde — Sporting. Der Klub, von dem schon sein Großvater träumte. Als die Familie noch in Angola lebte und Opa Praia Carvalho für Progresso de Sabizanga spielte, einem Erstligisten aus der Hauptstadt Luanda.
Dort wird auch William Carvalho geboren, im April 1992 und also mitten hinein in den seit 1975 schwelenden Bürgerkrieg, den das Land nach der erklärten Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Portugal erfasst hat. Der erst 2002 endet und bis dahin eine halbe Millionen Todesopfer kosten sollte. Und vor dem sich über zweieinhalb Millionen Menschen auf die Flucht begaben. Kurz nachdem William das Licht der Welt erblickte, auch die Familie Carvalho.
Anführer in der Kabine – mit 13
Sie ziehen in den Speckgürtel Lissabons, wo William zunächst nur auf der Straße kickt, ehe er im Alter von elf Jahren vom Stadtteilverein Recreios Desportivos de Algueirão aufgenommen wird. 16 Kilometer Luftlinie trennen William Carvalho nun noch vom Estádio José Alvalade XXI, dem Stadion von Sporting Lissabon. 16 Kilometer Luftlinie und eine Zwischenstation beim União Sport Clube de Mira Sintra. Er ist jetzt 13 und schon so gut, dass er mit den 15-Jährigen zusammenspielt. Obendrein ist er ihr Kapitän. „Er war der Anführer in der Kabine. Er hat die Probleme zwischen Jungs aus den rivalisierenden Nachbarschaften gelöst“, erinnert sich sein ehemaliger Trainer Bruno Rodrigues in einem Interview mit „Maisfutebol“.
Dann kam Benfica. Und der kleine William Carvalho sagte freundlich „não“ und wartete. Darauf, dass Sporting sich um ihn bemühen würde. Und tatsächlich: Einige Monate später spricht ihn Aurelio Pereira an, der Chef von Sportings Nachwuchsabteilung. Entdecker von Cristiano Ronaldo, Luis Figo und vielen mehr. Wer denn sein Lieblingsspieler bei Sporting sei, fragt dieser Aurelio Pereira also und William Carvalho antwortet: Nani. Der eine Stunde später persönlich bei William Carvalho anruft und ihm versichert, unbedingt zu Sporting wechseln zu müssen. Nicht, dass es das noch gebraucht hätte.
Glücksfall Belgien
Die nächsten Jahre vergehen wie im Flug. Carvalho hält ein, was er verspricht. Er ist sowohl bei Sporting als auch in den U‑Nationalmannschaften Portugals Stammspieler und Leistungsträger und kommt im April 2011, noch 18 Jahre alt, zu seinem ersten Einsatz bei den Profis. Doch dem Höhenflug folgt bald der erste Rückschlag. Sporting befindet sich in einer schwierigen Phase. Zwischen Februar 2011 und Mai 2013 sieht der Klub sieben Trainer kommen und gehen. Sporting Braga steigt hinter dem FC Porto und Benfica Lissabon zur dritten Macht der portugiesischen Liga auf. Nicht gerade der ideale Nährboden, um Talente ins kalte Wasser zu werfen.
Also verleihen sie ihr Spielmacher-Talent in die zweite Liga, zu C.D. Fatima. Dort kommt er zwar zum Einsatz, weiß aber nicht wirklich zu überzeugen. Erste Zweifel werden laut, ob Carvalho tatsächlich das Zeug hat für die ganz große Karriere. Ein Neustart muss her, eine neue Umgebung. Und so wechselt er im Januar 2012 für eineinhalb Jahre nach Belgien, zu Cercle Brügge. Es ist der richtige, der entscheidende Schritt. Vor allem sportlich.