Äußerst kritisch nahmen die Fans des VfB Stuttgart den neuen Trainer Tayfun Korkut auf. Zeit, Druck vom Polemik-Kessel zu nehmen und zu schauen, wofür der neue Mann steht und wie das bei seinem Debüt in Wolfsburg spielerisch aussah. Und das macht durchaus Hoffnung.
Der Führungstreffer nach einem frühen Ballgewinn war nur eine Frage der Zeit (24.), auch danach hatte Wolfsburg die besseren Chancen. Es geschah, was Korkuts Kritiker befürchteten: Das Stuttgarter Spiel wirkte behäbig und beliebig, die eigene Taktik war wenig inspiriert und passte nicht so recht zu Wolfsburgs 4−2−3−1. Gerade Daniel Didavi fand im Mittelfeld zu viele Freiräume. Der Spielverlauf hätte unter Ex-Trainer Hannes Wolf, ein vorsichtiger Defensivtaktiker, wohl kaum anders ausgesehen.
Stuttgart mit Aggressivität und Zug zum Tor
Nach der Pause sah Stuttgarts Spiel jedoch anders aus. Korkut brachte mit Daniel Ginczek einen zweiten Stürmer. Gentner ging zunächst zurück ins Mittelfeld, später agierte er auf Linksaußen. Stuttgart zeichnete weiterhin eine Asymmetrie auf den Flügeln aus, die sie nun aber gewissenhafter ausspielten.
Das lag vor allem daran, dass Stuttgart wesentlich offensiver agierte. Die Außenverteidiger rückten bis an die vorderste Linie, die beiden Angreifer standen auch bei gegnerischem Ballbesitz hoch. Stuttgart machte nun das, was Wolfsburg in der ersten Halbzeit gelungen war: Sie störten den Gegner früh und gewannen Bälle in der gegnerischen Hälfte. So erspielten sie sich auch nach dem Ausgleichstreffer noch zahlreiche Chancen.
Auch das ist typisch Korkut: Er nahm zur Halbzeit keine großen taktischen Veränderungen vor, gerade gegen den Ball ähnelte das 4−4−2 nach der Pause dem 4−2−3−1 vor der Halbzeit. Durch eine offensivere Grundhaltung und ein riskanteres Vorschieben sämtlicher Spieler konnte Stuttgart aber plötzlich mehr Offensivgefahr entfachen. Unter Wolf mangelte es gerade nach Rückständen an der Risikobereitschaft. Dieses Problem scheint Korkut angehen zu wollen.
Korkut, das halbe Phantom
So half auch diese Partie nicht, Korkuts Profil zu schärfen. Er machte dort weiter, wo er in Leverkusen aufgehört hat: Er ließ seine Mannschaft einen unaufgeregten, dem Zeitgeist entsprechenden Fußball spielen. Einzig die offensive Ausrichtung in der zweiten Halbzeit bedeutete einen klaren Bruch mit der Spielweise unter Wolf. Ansonsten bleibt sich Korkut treu, indem er auch in Stuttgart an der Seitenlinie unauffällig bleibt.
Ob Phantom oder nicht — den Stuttgartern wird es egal sein. Sie freuen sich darüber, endlich wieder auswärts gepunktet zu haben.