Rakitic – der Name ist allgegenwärtig. Aber nicht in Barcelona, und auch nicht in Kroatien. Sondern in der fünften Schweizer Liga. Was ist da los? Ein Ortsbesuch.
Luka Rakitic heißt der Präsident. Dejan Rakitic heißt der Trainer. Von welchem Klub die Rede ist? NK Pajde Möhlin. Ein Klub, der in der Schweizer Presse auch oft als Rakitic-Klub bezeichnet wird.
Wenn man nach Möhlin kommt, ist man auf dem Land. Das Städtchen hat ein wenig mehr als 10.000 Einwohner, viele Felder ringsherum und einen alten Dorfkern. Möhlin ist nahe bei Basel gelegen, rund 20 Minuten benötigt man mit der S‑Bahn. Am Rande des Schweizer Städtchens ist die Sportanlage Steinli vorzufinden. Sie ist die Heimat von Pajde. Der Klub spielt in der interregionalen 2. Liga. In der Schweiz ist das die fünfhöchste Spielklasse. Was geschieht hier?
Die Antwort ist so kurz wie simpel: Ivan Rakitic. Der Barca-Spieler ist bei Pajde omnipräsent. Im Klubhaus hängen Trikots und Bilder von ihm. Er unterstützt den Klub, der in einer Liga mit Feierabendkickern spielt. Er ist das Aushängeschild, der Mann im Hintergrund. Der Mittelfeldspieler, dessen Karriere einst beim FC Basel begann, schickt etwa jede zweite Woche ein Paket von seinem Ausrüster. Pajde hat Material für die nächsten Jahre. Luka Rakitic ist sein Vater und der Präsident, ein grosser, breitgebauter Mann, der sehr viel raucht, und oft von seinem Sohn redet. Dann zeigt er voller Stolz Kinderbilder und erzählt, dass er mehrmals pro Monat nach Barcelona reist: „Ich bin Präsident und Vater als Beruf.” Das meint er ernst.
Begonnen hat alles ganz unten. Geboren ist Luka Rakitic am 15. Oktober 1962 in Sikirevci, einem kleinen Dorf im Osten Kroatiens. Fast alle jungen Leute aus der ärmlichen Gegend wanderten aus. Luka wollte eigentlich in Jugoslawien bleiben, er war ein begnadeter Fussballer, spielte für die Junioren-Nationalmannschaft und in der höchsten Liga, verpasste aber letztlich den Sprung zur großen Profikarriere. Also ging er mit 22 Jahren in die Schweiz, seine Frau Kata kam ein wenig später mit dem dreijährigen Sohn Dejan nach.
Durch den Fussball fand die Familie rasch Anschluss, Ivan und Nikol kamen zur Welt. Und Vater Luka gründete 1989 den NK Dynamo Möhlin, Vorgängerverein von Pajde. Zu jener Zeit, als durch den Jugoslawienkrieg Tausende von Kroaten in die Schweiz zogen, war der Verein Treffpunkt vieler Heimatloser. Luka kümmerte sich um sie, gab ihnen mit dem Fussball ein wenig Beschäftigung. 1993 gründete er dann Pajde. „Der Klub ist das Herzensprojekt meines Vaters“, erzählt Dejan, Ivans Bruder, ein großer, athletischer Mann, der die blonden Haare kurz trägt.
Doch es ist nicht nur der Name des Gründers, weshalb den Klub, in dessen Logo das kroatische Wappen gestickt ist, so viele Schweizerinnen und Schweizer kennen. Pajde gerät immer wieder in die Schlagzeilen – und das oft negativ. Beispiele gibt es mehrere. Spieler von anderen Vereinen beschweren sich über die Aggressivität der Spieler, sagen, dass Pajde-Spieler nicht verlieren könnten und äußerst brutal spielen würden. Ehemalige Spieler reden von Wortbruch.
2018 etwa. Der Klub investierte in 14 neue Spieler, sie kamen teils aus Portugal und auch aus Mazedonien. Auch der beste Knipser aus der dritthöchsten Liga, Anto Franjic, kam. Doch das Projekt scheiterte, Klub und Spieler enttäuschten. Das Team brach in der Folge auseinander. Spieler wie Franjic kritisierten in daraufhin die Transferpolitik, warfen den Verantwortlichen vor, dass sie nicht mit ihnen geredet hätten und Prämien nicht gezahlt worden seien.
Gegenüber dem Schweizer Medium „Nau“ sagte Franjic: „Uns wurden falsche Versprechungen gemacht. Es hieß, dass viele talentierte Spieler zum Verein stossen würden und man den Aufstieg in Angriff nehmen wolle. Was wir vorgefunden haben, hat überhaupt nicht dem entsprochen.“ Pajde wies die Vorwürfe entschieden von sich. Dejan sagte damals, auch gegenüber „Nau“: „Es hat einfach nicht gepasst. Das ist alles. Das gibt es auch im Privatleben: Manchmal passt es einfach nicht. Das hat auch gar nichts mit dem Finanziellen zu tun.“
Und im letzten Herbst kam es dann zu einem Vorfall, der in der gesamten Schweiz für Schlagzeilen sorgte. Nach dem dramatisch verlorenen Spitzenspiel gegen den SC Zofingen, ein Mitfavorit auf den Aufstieg, rasteten einzelne Spieler des NK Pajde aus, wie es heißt. Komplett. Sie waren mit der Leistung des Schiedsrichters nicht einverstanden, also verfolgten sie den armen Mann bis in die Kabine. Zuschauer filmten die Szenen. Wirrwarr. Schläge. Gebrüll. Kaum ersichtlich, wer wo war. Polizisten kamen aufs Feld, mussten eingreifen. Gerufen wurden sie von mehreren Personen. Das bestätigt die Polizei.