Der MSV Duisburg trennt sich von Torsten Lieberknecht. So nachvollziehbar die Trennung sportlich sein mag, so sehr schmerzt sie menschlich. Würdigung eines besonderen Trainers.
Nach der verlorenen Relegation 2017, Braunschweig war inzwischen wieder Zweitligist und hatte den zweiten Aufstieg in die Bundesliga gegen Wolfsburg verpasst, folgte eine Horrorsaison. Das Umfeld beäugte Lieberknecht zunehmend kritisch. Bereits am dritten Spieltag, nach einem 1:1 gegen Aue, gab es Pfiffe von den Rängen. Auf der anschließenden Pressekonferenz Platze Lieberknecht der Krage. Er polterte, er blies zum Verbalangriff gegen Teile der Fans. „Das kotzt mich an“. Der Löwe kämpfte für seine Mannschaft.
Das Verhältnis zu Sportdirektor Marc Arnold und Geschäftsführer Sören-Oliver Voigt galt da schon als angespannt. Der sture Lieberknecht und Eintracht Braunschweig gerieten in eine Beziehungskrise. So manch einer hielt die Trennung für den einzigen Weg. Doch Lieberknecht blieb bis zum Ende der Saison. Er durfte sein zehnjähriges Dienstjubiläum feiern.
Die Südkurve widmete ihm dazu eine große Choreografie. „Treue lässt ihn unsterblich werden“ war in großen Lettern neben seinem Konterfei zu lesen. Eintracht verlor das folgende Spiel gegen Ingolstadt und rutschte am vorletzten Spieltag erstmals auf den Relegationsrang ab. Lieberknecht weinte hemmungslos. Die Katastrophe war nicht mehr abzuwenden. Am letzten Spieltag rutschte die Eintracht noch tiefer. Der Abstieg stand fest und Lieberknecht weinte wieder.
Einen Tag später gab der Verein bekannt, ohne ihn in die neue Saison zu gehen. Manche Anhänger hätten Lieberknecht lieber früher entlassen. Er übergab die Eintracht dort, wo er sie zehn Jahre zuvor übernommen hatte: In der dritten Liga.
Nach einer kurzen Schaffenspause stellte Zweitligist Duisburg ihn im Oktober 2018 als neuen Trainer vor. Mittlerweile kahl geschoren, etwas reifer, etwas ruhiger. Aber wieder mit Herzblut dabei. Seine Art verfing auch in Duisburg. Trotz des Abstiegs 2019 durfte er bleiben. Und wahrscheinlich hätte er auch den direkten Wiederaufstieg gepackt. Dann kam Corona.
Der MSV ging als Spitzenreiter in die Pause. Doch der relativ alte und dünnbesetzte Kader kam mit der hohen Belastung von zwei Spielen in der Woche nach dem Restart nicht klar. Wieder war ein bisschen Tragik dabei. Am vorletzten Spieltag zerstörte ein Gegentor in der 92. Minute die Aufstiegshoffnungen. Ausgerechnet Eintracht Braunschweig stieg dadurch auf. Einen Trainer, der zu Schlagern rülpste, suchte man an der Hamburger Straße aber vergeblich.
Am Montag endete das Kapitel Lieberknecht nun auch beim MSV. Trotz fantastisch herausgespielter Führung unterlagen die Zebras am Ende 1:3 gegen Viktoria Köln. Die Duisbuger entließen Lieberknecht. Man danke ihm für die geleistete Arbeit und vor allem für „sein Herz für den Spielverein und seine Anhänger!“. Eine Floskel. Die bei diesem Trainer keine Floskel ist.
Nun ist er arbeitslos. Zu Bundesligazeiten rankten sich hartnäckige Gerüchte um Angebote aus Bremen und anderen Erstligastandorten. Er lehnte ab, blieb treu. Nun sind Erstliga-Angebote unwahrscheinlich. Zwei Zweitliga-Abstiege innerhalb von zwei Jahren sind in diesem Geschäft unbrauchbare Arbeitszeugnisse. Doch wo auch immer Torsten Lieberknecht als neuer Cheftrainer vorgestellt wird, die Anhänger seines neuen Vereins können sich auf einen Trainer freuen, wie ihn sich Fans, die ihren Verein nicht nur am Spieltag unterstützen, nur wünschen können. Auf einen, für den Fußballvereine viel mehr als Arbeitgeber sind. Auf breites Pfälzisch, emotionale Pressekonferenzen und ein nahbares Original. Auf eine Bereicherung für den Profisport.