Der MSV Duisburg trennt sich von Torsten Lieberknecht. So nachvollziehbar die Trennung sportlich sein mag, so sehr schmerzt sie menschlich. Würdigung eines besonderen Trainers.
Torsten Lieberknecht feierte im Mai 2011 seinen ersten Aufstieg als Trainer. Souverän stieg er mit der Braunschweiger Eintracht in die 2. Bundesliga auf. Im Moment des Triumphes versuchte ein NDR-Team, den jungen Erfolgscoach zu interviewen. Doch Lieberknecht konnte nicht antworten. Er rülpste. Entschuldigte sich. Und rülpste nochmal. Wieder entschuldigte er sich, blieb eine Antwort aber weiter schuldig. Stattdessen grölte er mit der Mannschaft Micky Krauses „Schatzi schenk mir ein Foto“. Mit viel Inbrunst – und mit wenigen Gedanken an die Außenwirkung. Oft mit mehr Herz als Kopf. Nicht immer zum Verständnis von Presse, Fans oder Verantwortlichen.
Doch Lieberknecht ist kein Ballermanntourist im Trainingsanzug, sondern in erster Line ein Fußballfachmann. Seine Erfolgsgeschichte bei Eintracht Braunschweig fußte auf einem unberechenbaren, sehr flexiblen Spielsystem, dem Blick fürs Detail und seinem Motivationstalent. Außerdem überzeugte seine weitsichtige Kaderplanung. Es gelang ihm junge Spieler davon zu überzeugen, dass Braunschweig die beste Station für ihre Entwicklung sei und er konnte viele von ihnen langfristig halten. Er formte eine homogene Mannschaft.
Sein Alleinstellungsmerkmal war und ist seine Hingabe und die Fähigkeit zur vollen Identifikation mit seinem Arbeitgeber. Er suchte stets die Nähe zu den Fans. Er telefonierte regelmäßig mit Eintracht-„Kurvenmutti“ Christel Neumann. Er nahm sich Zeit, den Fans Entscheidungen zu erklären. Er las aufmerksam Leserbriefe in der „Braunschweiger Zeitung“ und rief kritische Verfasser an, um sie telefonisch zu berichtigen.
Nur zwei Jahre nach dem ersten Aufstieg folgte der zweite. Im Bundesliga-Jahr rückte Lieberknecht auch in den Fokus überregionaler Medienberichterstattung. Emotionale Ausbrüche, in denen er von systematischer Benachteiligung schwadronierte und davon sprach, dass man für die Schiedsrichter der Liga nur der „kleine Piss-Verein“ sei, erfreuten auch Fußballfans außerhalb Niedersachsens. Sein breites Pfälzisch gehörte im dialektarmen Braunschweig da bereits zur Identität des Vereins.
Durch seine emotionale Art drängten sich Vergleiche mit Jürgen Klopp auf. Gebetsmühlenartig erwähnten Kommentatoren, dass sich Lieberknecht und Klopp zu Mainzer Zeiten ein Zimmer teilten.
Doch die Vergleiche hinken. Lieberknecht ist kein Klopp. Restlose Begeisterung schlug ihm deshalb nie entgegen. Für Teile der Fanszene war sein Spielstil zu unansehnlich und seine Wechselpolitik nicht nachvollziehbar.