Spätestens seit Sonntag ist James Ward-Prowse vom FC Southampton Englands neuer Freistoßkönig. Aber nicht nur seine Schusstechnik setzt Maßstäbe – auch sein Name.
In Southampton waren am Sonntag 33 Minuten gespielt, als David de Gea Böses schwante. Der Torwart von Manchester United deckte die lange Ecke ab, machte sich aber schon bereit, um in die kurze zu springen. Das ist eigentlich ein Fehler, doch der Keeper konnte sich recht sicher sein, dass James Ward-Prowse den Ball über die Freistoßmauer drehen würde. So macht das der Engländer eigentlich immer.
Am 1. November, seinem 26. Geburtstag, hatte Southamptons Kapitän gleich zwei Freistöße auf diese Art gegen Aston Villa verwandelt. Damit überholte er niemand Geringeren als die Klublegende Matt Le Tissier, denn dem waren in der Premier League nur sieben Freistoßtore gelungen, während Ward-Prowse durch seinen ungewöhnlichen Doppelpack bei acht stand. Doch was heißt in diesem Zusammenhang schon Klublegende? Ward-Prowse selbst ist auf dem besten Wege, eine zu werden. Trotz seiner Eltern.
Sein Vater John Ward-Prowse, ein Rechtsanwalt, war nämlich ebenso Fan des FC Portsmouth wie auch der ganze Rest der Familie, die aus jener Hafenstadt an der Südküste stammt. Im Norden von Portsmouth gibt es sogar ein Vereinsheim, auf dessen Außenwand vor knapp zwei Jahren ein großes Porträt von James Ward-Prowse gepinselt wurde. Das Gebäude gehört dem Jugendklub East Lodge Youth, der in einem Stadtteil von Portsmouth beheimatet ist, der Farlington heißt. Mit drei Jahren war James zum ersten Mal im acht Kilometer entfernten Stadion des FC Portsmouth, dem Fratton Park, schon als kleiner Junge hatte er eine Jahreskarte.
Das Besondere an dem Bild von Ward-Prowse ist, dass er ein weißes Trikot trägt. Zwischen Portsmouth und Southampton herrscht nämlich eine innige Feindschaft. Obwohl viele Leute in Portsmouth stolz sind, dass es ein Sohn der Stadt so weit gebracht hat, hätte die Malerei nicht lange überlebt, wenn der Künstler den Spieler in Rot-Weiß dargestellt hätte. Obwohl Ward-Prowse diese Farben schon lange trägt. Er spielte nach seiner Zeit bei East Lodge Youth zwar kurz für die U9 des FC Portsmouth, aber noch vor seinem neunten Geburtstag entschied er sich für Southampton, weil das dortige Internat einen sehr guten Ruf genoss. Schon mit 16 feierte er sein Debüt in der ersten Elf.
Seine Familie beschloss damals, dass Blut dicker als Wasser ist: Geschlossen gab die Familie Ward-Prowse ihre Dauerkarten für den FC Portsmouth zurück und folgte fortan dem Rivalen. Aber noch mindestens zwei weitere Details an James Ward-Prowse sind bemerkenswert. Da wäre einmal die Tatsache, dass sein großes Idol von Anfang an David Beckham war. Schon als Knirps legte sich Ward-Prowse den Ball auf den Rasen, nahm ein paar Schritte Anlauf und versuchte, das Leder um eine imaginäre Mauer zu drehen — bend it like Beckham. Jener Beckham hält übrigens bis heute den Premier-League-Rekord an direkt verwandelten Freistößen. Mit 18 Treffern liegt er deutlich vor Thierry Henry und Gianfranco Zola (12).