Rassismus, Sexismus, Homophobie – alles schön und gut. Aber die schlimmste Diskriminierung erleidet in der Bundesliga die Minderheit der alten, weißen Milliardäre. Immerhin: Es tut sich etwas.
„Da war der Schaden aber schon entstanden“, schränkt Neten ein. Gerade die schwächste aller Minderheiten gelte es zu schützen, die lange Untätigkeit der Verbände habe viele Bundesligamilliardäre verblüfft und sei auch auf der ein oder anderen Fuchsjagd bereits Thema gewesen. „Wir haben uns gewundert. Vor allem, nachdem die Zusammenarbeit ansonsten immer so reibungslos verlaufen war. Bei der Lizenzierung eines Phantasieklubs. Bei der Umgehung der 50+1‑Regel. Oder auch im Alltäglichen, wenn einer von uns mal gegnerische Fans mit Schallkanonen drangsaliert hat. Das hat immer super geklappt.“
Aber es klappt eben nicht mehr allzu viel im tief gespaltenen deutschen Fußball. Das weiß auch P. Nunzen (Name von der Redaktion geändert). Bundesligamilliardär Nunzen – Typ juveniler Lederjacken-Greis – ist aus dem edelsten aller Gründe im Fußball involviert, der Habgier. Auch deshalb schmerzt ihn das harsche Klima im oft anarchischen Volkssport so sehr. „Es trifft genau diejenigen, die sich am wenigsten verteidigen können“, so Nunzen. Er lässt seinen Blick über den Hubschrauberlandeplatz schweifen, wegen schlechten Wetters kann er heute nicht zum Golfen fliegen, noch so ein Nackenschlag.
„Mittlerweile reicht es ja, wenn du erst rassistisch einen ganzen Kontinent verunglimpfst und dann inmitten einer globalen Pandemie deine osteuropäischen Sklavenarbeiter, die du sowieso schon in menschenunwürdigen Baracken hältst, einem potentiell tödlichen Virus aussetzt“
„Was haben wir denn?“, fragt Nunzen seinen Caddy, der ertappt guckt, bevor er erleichtert feststellt, dass es sich um eine rhetorische Frage handelt, die Nunzen sogleich selbst beantwortet. „Gut, die Stadien gehören uns, wir können die Leute einfach rausschmeißen. Und wir haben die besten Anwälte, mit denen wir diese kleinen Schmeißfliegen in Grund und Boden klagen. Und klar, der Draht in die DFL-Zentrale ist dicker als meine Patek Philippe Grandes Complications, hier, sehen Sie, das Armband ist aus Alligatorleder. Da pochen wir dann auf Kollektivstrafen. Und natürlich, auch an jeder sonstigen Ecke unseres Lebens treffen wir ausschließlich auf Arschlecker und Ja-Sager. Aber sonst? Was haben wir denn?“
Es sind Worte der Verzweiflung, die man derzeit allerorten vernehmen kann, wenn man sich auf den gängigen Eyes-Wide-Shut-Sexpartys für Superreiche oder in den General Aviation Terminals umhört, wo sich die Milliardäre zum traditionellen Privatjet-Vergleich treffen. Eine regelrechte Hetzjagd habe zuletzt stattgefunden, so Nunzen. „Mittlerweile reicht es ja, wenn du erst rassistisch einen ganzen Kontinent verunglimpfst und dann inmitten einer globalen Pandemie deine osteuropäischen Sklavenarbeiter, die du sowieso schon in menschenunwürdigen Baracken hältst, einem potentiell tödlichen Virus aussetzt. Ich meine, wo kommen wir denn da hin, wenn Macher wie wir nicht mehr machen können, was sie wollen, und wegen derlei Lappalien ihre Posten aufgeben müssen?“
Eine weitere rhetorische Frage, denn wer könnte schon wollen, dass die Superreichen den Fußball an die Menschen zurückgeben? Dass es im von Nunzen genannten Fall kein Ermittlungsverfahren der Verbände gab, ist in dieser Hinsicht als positives Zeichen zu werten, dass bald auch Bundesligamilliardäre endlich auf eine faire Behandlung hoffen können. Aber ein echter Wandel kann freilich nur passieren, wenn er sich auf breiter gesellschaftlicher Basis vollzieht. Doch auch dort beobachtet der Otto-Normal-Bundesligamilliardär hier und da zarte Knospen des Aufbruchs. „In den Neunzigern hast du oft noch ‚Scheiß Millionäre‘ von den Rängen gehört, das war ganz normal. Das kann sich niemand vorstellen, wie das schmerzt. Ich meine, eine Milliarde sind ja auch nur tausend Millionen“, sagt Neten. „Das hat weitestgehend aufgehört, und das ist gut so“.
Auch die Medien haben langsam aber sicher den Ernst der Lage verstanden und setzten richtige und wichtige sozialpolitische Akzente. „Mir gefällt der Einfallsreichtum, mit dem sich einige Medien neue Preise ausdenken, damit sie uns Honig um den Bart schmieren können. Dieser Wille zum Speichellecken nötigt mir Respekt ab, der ist gar nicht hoch genug zu bewerten“, sagt Neten und seine Miene hellt sich auf. Auch dass man mittlerweile Videobotschaften im Sportfernsehen als Interviews verkaufen könne, um lästige Nachfragen zu vermeiden, sei hilfreich, um der verfolgten Minderheit endlich Gehör zu verschaffen. „Endlich mal Sichtbarkeit für unsere Sache.“
Und dennoch, das weiß auch Mo Neten, ist noch viel zu tun. „In anderen Ländern kann man sich als Milliardär in einen Klub einkaufen, wie man will, und den dann vor die Wand fahren, wenn einem danach ist. Es gibt sogar schon Staatsfonds, die ihre Klubs für Stellvertreterkriege nutzen, das ist doch toll. Aber mal ehrlich: Bis es bei uns in Deutschland eine Milliardärsakzeptanz gibt, wie sie in England oder Russland bereits gang und gäbe ist, wird es noch dauern“, sagt er. Und seufzt, während er sich von seinem Butler die Silberstutzen-Flinte zur Fasanenjagd bringen lässt, ein wehmütiges „leider“ hinterher.