Frank Schmidt hat den FC Heidenheim aus dem Amateurfußball in die 2. Bundesliga geführt. Er ist der dienstälteste Profi-Trainer Deutschlands. Warum funktioniert er auch noch nach elfeinhalb Jahren im Amt?
Am 22.09.2007 gab es beim FC Heidenheim ein neues Spektakel zu bestaunen: Frank Schmidt. Er debütierte an diesem Tag, Gegner Normania Gmünd, Oberliga Baden-Württemberg. Den Zuschauern reichte es völlig aus, den damals 33-jährigen Interimstrainer zu beobachten, um die Dramaturgie der Partien Heidenheims zu begreifen. Wurde es spannend, nagte er an den Fingernägeln. Liefen seine Spieler planlos herum, fauchte er sie lauthals an. Sein Blick folgte versessen dem Geschehen auf dem Platz, als könnte ihn nicht einmal die Kulisse eines „Superclasico“ davon ablenken.
Mittlerweile ist Frank Schmidt 45 Jahre alt und immer noch Trainer in Heidenheim. Etwas weniger Haare, etwas mehr Bauch, der Bart etwas grauer. Dennoch turnte Schmidt auch beim 2:1‑Sieg gegen Leverkusen im DFB-Pokal vergangenen Dienstag wieder an der Seitenlinie herum, wie er es schon in seinem ersten Jahr in der Oberliga Baden-Württemberg getan hatte. „Ich bin eben nicht der Typ, der auf der Bank einschläft“, sagt er über sich selbst. Frank Schmidt ist der lebende Beweis dafür, dass ein Trainer auch nach zwölf Dienstjahren noch funktionieren kann.
Der gescheiterte Plan vom Versicherungsangestellten
Als Schmidt im Herbst 2017 sein 10-Jähriges feierte, fragten ihn Medienvertreter gespannt nach seinem Geheimnis. Wie man sich so lange sicher auf dem Trainerposten halten könne. Schmidts Antwort? Simpel. Aber nachvollziehbar. „Wir haben Erfolg“, sagte er dem Spiegel.
Erfolg hatte Schmidt seit seinem Dienstantritt. Nach zwei Auftaktsiegen wurde er vom Interims- zum Cheftrainer befördert. Dabei hatte Schmidt doch eigentlich geplant, im Versicherungsbüro eines Freundes anzufangen. Stattdessen begannen im zweiten Jahr die Aufstiege für ihn und den FC Heidenheim. Erst in die Regionalliga, dann in die dritte Liga.
Dort angekommen, hielten sich die Erwartungen in Grenzen, sein Team spielte unbekümmert, egal wer der Gegner war. So war es für den Verein damals auch kein Problem, sich in der Dokumentation Trainer! von Aljoscha Pause völlig offen zu zeigen. Die Kamera begleitete Schmidt im Liga-Alltag und folgte ihm sogar bis an den mystischsten aller Fußballer-Orte, die Kabine. In den Mannschaftsbesprechungen, kurz vor Spielbeginn, sah der Zuschauer dort den Prediger Schmidt: „Heute gibt’s nur eines: schwarz oder weiß. Tal der Tränen oder Triumphzug.“ In der Saison 2013/14 ging es weiter hoch in die 2. Bundesliga.
In Heidenheim haben sie sich längst an den Profifußball gewöhnt. Der Etat (22 Millionen Euro) nähert sich langsam dem der Schwergewichte in der zweiten Liga an (HSV und 1.FC Köln mit ca. 31 Millionen Euro). Trotzdem betonen die Spieler und Menschen, wie familiär es in Heidenheim zugeht. Gerade wegen Frank Schmidt. Ihn ausschließlich auf sein leicht wahnsinniges Wesen an der Seitenlinie zu reduzieren, ist falsch, findet Regisseur Aljoscha Pause. „Frank hat eine viel größere Klaviatur an Ausdrücken, er ist sonst sehr herzlich zu den Spielern, nimmt sie auch mal in den Arm“, sagt Pause, der seit seinen Filmarbeiten einen freundschaftlichen Kontakt zu Schmidt pflegt. „Er hat wie Jürgen Klopp sein eigenes Charisma, mit dem er Menschen für sich gewinnt. Deshalb nutzt sich sein Motivations-Stil auch nicht ab.“
Abstiegsmanagement – für Heidenheim etwas völlig ungewohntes
Als Pause den Trainer 2013 begleitete, dachte er: Dieser akribische Perfektionist wird sicher bald einen Erstligisten übernehmen. Und Angebote gab es ja auch einige, das gibt Schmidt zu. Doch er wohnt derzeit in keiner großen Fußballmetropole, sondern immer noch im 2197-Einwohner-Dorf Bachhagel, Landkreis Dillingen, knapp 20 Minuten vom Heidenheimer-Stadion entfernt. Schmidt sagte „nein“ zu den Anfragen, auch wenn er irgendwann einmal in die Bundesliga möchte – am liebsten mit Heidenheim. Fürs Erste läuft sein Vertrag bis 2023.
So harmonisch es in der Ostalb sein kann – je länger Heidenheim in der zweiten Liga mitspielte, desto größer wurde auch der Hunger nach mehr. Desto schwieriger war es für Schmidt in der vergangenen Spielzeit. Sieben von zehn Partien verlor er zwischenzeitlich. Andauernd rutschte der Verein auf einen der Abstiegsplätze. Die wohlige Atmosphäre war weg. Schmidt polterte damals: „Jeder spricht von Zusammenhalt. Ich spüre das momentan nicht, was das Umfeld betrifft.“
Eine Krise unter Schmidt kannten sie in Heidenheim nicht. Und Schmidt kannte keine Krisen. „Hauptschuldiger ist der Trainer“, las er in einer öffentlichen Umfrage über die Probleme in Heidenheim. Der Mann, der den Klub geprägt hatte wie kein Trainer vor ihm, hinterfragte sich selber: „Bin ich schuld?“. Doch der Verein und der feste Fan-Kern standen weiter zu ihm. Am letzten Spieltag konnte sich Heidenheim mit einem 1:1 in Fürth retten. In der Nachbetrachtung ist Schmidt dankbar für diese Erfahrung: „Ich habe gelernt, in solchen Zeiten unschöne Dinge anzusprechen, bei denen ich früher aus Mitgefühl gezögert hätte.“
Keine Zeit zum Gassi gehen
Seitdem hat sich Heidenheim weiterentwickelt. In den ersten Zweitliga-Jahren stand eine stabile Defensive an erster Stelle. Mittlerweile versucht Schmidt öfter mit seiner Mannschaft, spielerisch zu gewinnen. So unbeschwert, wie sie einst in der dritten Liga aufliefen. Der Erfolg kehrte zurück. Nicht allein im DFB-Pokal gegen Leverkusen.
Am liebsten hätte Frank Schmidt noch eine Runde mit seinen Hunden gedreht nach dem Sieg gegen Bayer 04. Zum Runterkommen. Doch es war schon Mitternacht, als er heimkam. So musste das bis zum nächsten Tag warten, ehe es wieder mit der Vorbereitung für die nächste Liga-Partie gegen Darmstadt weiterging. Heidenheim kann mit einem Sieg auf Rang vier klettern. Um das zu sehen, müssten die Stadionzuschauern eigentlich nicht extra auf die Tabelle schauen, sie könnten es auch an Schmidt ablesen – so oft wie er derzeit an der Seitenlinie grinst und lacht.