Er wirkt weder angespannt noch entspannt. Vergeblich sucht man nach einem Siegerlächeln oder einer Zornesfalte, man findet keine Anzeichen eines Triumphes und erst recht keine der Verärgerung. Wer nach Worten fahndet, um Jos Luhukay, den Cheftrainer von Borussia Mönchengladbach, zu beschreiben, landet ziemlich schnell bei Attributen wie: unaufgeregt oder gelassen.
Wie sonst soll man einen Menschen charakterisieren, der auf einer einzigen Betriebstemperatur durchs Leben zu laufen scheint? Als der 44-Jährige jetzt gefragt wurde, welche Maßnahmen er ergriffen habe, um nach dem verpatzten Saisonstart den Druck von der Mannschaft zu nehmen, gab’s eine Antwort, die man eigentlich erwarten musste: „Wir haben Ruhe bewahrt und so weiter gearbeitet wie vorher.” Das ist Jos Luhukay. Einer, der offenbar nur schwer zu erschüttern ist. Er ist mit Gladbach abgestiegen, am Ende sogar kläglich, er hat aus den ersten drei Zweitligapartien nur zwei Punkte holen können, er musste bereits um seinen Job fürchten, doch all das hat er – zumindest für Außenstehende – mit einer tibetanischen Gleichmut hingenommen. „Wir wussten, dass wir am Anfang noch Schwierigkeiten haben würden und haben uns von den Ergebnissen der ersten Spiele nicht verrückt machen lassen.”
Prägende Erlebnisse
Einem Reporter von „Spiegel online” hat er kürzlich eine Geschichte aus seinem Leben erzählt. Es war 1989, als ihm das Schicksal vor einem Flugzeugabsturz bewahrt hat. Jos Luhukay musste mit seinem Venloer Verein noch ein Relegationsspiel bestreiten, als seine Mannschaftskollegen der „Kleurrijk Elftal”, allesamt Fußballer aus den früheren niederländischen Kolonien, auf eine Welttournee starteten und in den Tod reisten. Nur elf Passagiere überlebten die Bruchlandung in Paramaribo, der Hauptstadt Surinams. 179 Menschen starben, darunter 14 Fußballprofis. „Das tut immer noch sehr weh, weil ich viele Spieler sehr gut kannte”, gestand Luhukay, der womöglich aufgrund solcher Erlebnisse in der Lage ist, den Fußball gelassener als viele andere zu betrachten.
Und wer gelassen ist, wer die Dinge relativiert, der ist auch unabhängiger als so mancher Kollege in diesem Geschäft. Noch ist nicht bekannt geworden, dass der Trainer der Borussia auch nur einen einzigen Kompromiss eingegangen wäre. Er hat klare Vorstellungen, er ist von sich und seinem Tun überzeugt, Angst vor einem Jobverlust ist nirgendwo erkennbar. Selbst jene Beobachter, die den Holländer am Saisonanfang am liebsten persönlich fortgejagt hätten, loben ihn längst für eine gute Arbeit. Das Spiel der Borussia, so sagen sie, habe eine Handschrift. Ein größeres Kompliment kann man dem Coach kaum machen. „Erfolg braucht ein Konzept”, ist wohl sein wichtigstes Credo. Und wer genau weiß, was er will, der weiß auch genau, welche Typen er braucht. Jetzt, nach 14 Spielen ohne Niederlage, nach der Herbstmeisterschaft mit sechs Punkten Vorsprung auf einen Nicht-Aufstiegsplatz, muss man dem Trainer bescheinigen, gemeinsam mit Sportdirektor Ziege eine funktionierende Mischung gefunden zu haben.
Erfahrene Leitwölfe wie Sascha Rösler, Alexander Voigt und Patrick Paauwe sind exakt jene Führungstypen, die solchen Jungspunden wie Marko Marin und Tobias Levels zeigen können, wo es langgeht. Sie sind die Dirigenten in einem radikal umgebauten Team, das offensiven Tempofußball bevorzugt, das aber – je nach Gegner und Spielstand – oft genug mit neuen taktischen Vorgaben zurecht kommen muss.
„Juhukay”, feiert die Presse den Fußball-Lehrer
Jos Luhukay macht sich viele Gedanken, das sollte selbstverständlich sein in seinem Job. Untypisch ist lediglich, dass er seine Überlegungen vor niemanden verbirgt. Im Presseraum der Borussia steht er nach Spielen oft genug vorne auf dem Podium. Dort beugt er seinen Oberkörper leicht nach vorn, stützt die Hände auf der Tischplatte ab und erklärt plausibel dieses uns jenes, warum er beispielsweise einen Marko Marin, seinen Dribbelkönig, vorzeitig vom Rasen geholt hat. So etwas kommt gut an.
„Juhukay”, feiert die Presse den Fußball-Lehrer, der eher unauffällig wirkt. Er ist ein Mann ohne Schlagzeilen. Einer, der nicht brüllt und zetert, einer, der nicht droht oder weint, und vor allem einer, der auch im Privatleben nicht weiter auffällt und auffallen will. Man weiß, dass er am Donnerstag in Köln seine Trainerlizenz bekommen hat, man weiß, dass er zweifacher Vater ist und dass er trotz seiner internationalen Karriere als Spieler und Trainer nie aus dem niederländischen Venlo weggezogen ist. „Ich brauche die Nähe meiner Familie, um mich wohl zu fühlen”, sagt der Trainer, der nur 30 Kilometer bis Gladbach fahren muss. Nach Köln ist es ein paar Kilometer weiter. Dort, beim FC, hat Jos Luhukay drei Jahre lang gearbeitet. „In jeder Hinsicht eine gute Lehrzeit” betont er heute. Unter Friedhelm Funkel, unter Marcel Koller und unter Huub Stevens hat er gearbeitet. „Davon profitiere ich jetzt”, sagt er. „Ich habe alles erlebt.”